Die Sakristei Des Todes
schmutzige
Akte.«
Athelstan schüttelte den Kopf.
»Aber, Crim, du pißt doch oft draußen im
Freien. Was ist denn so Besonderes daran?«
Der Junge errötete noch
heftiger.
»Na los, mein Junge!«
»Ich tue es auf heiligem Boden,
Pater.«
»Du meinst, hier in der
Kirche?«
»Nein, Pater, immer gerade dann,
wenn ich an Eurem Haus vorbeikomme, muß ich, und da gehe ich dann
hinter Eure Mauer und pisse in das Zwiebelbeet. Ich weiß, es ist
unrecht, in den Garten eines Priesters zu machen, aber ich kann
nichts dafür.«
Athelstan konnte nicht länger an
sich halten; er senkte den Kopf, schlug beide Hände vors Gesicht
und lachte, daß seine Schultern bebten. »Pater, es tut mir wirklich
leid.«
Athelstan hob den Kopf, wischte sich
die Tränen ab und packte den Jungen bei den Schultern. »Ich spreche
dich los von deinen Sünden«, sagte er. »Und dies soll deine Buße
sein.«
»Ja, Pater?«
»Wenn deine Mutter das nächste Mal
Zwiebeln kocht, sollst du jede einzelne aufessen. Nun geh und
sündige nicht mehr.« Crim rannte aus der Kirche, als sei er soeben
von der allerschlimmsten Todsünde losgesprochen worden. Athelstan
sah ihm nach, und immer noch schüttelten ihn Lachanfälle. Er war
froh, daß die Kirche leer war; wenn jemand Crims Beichte gehört
hätte, wäre der Junge zum Gespött der ganzen Gemeinde geworden.
Athelstan lehnte sich zurück und döste eine Weile; er dachte über
mögliche Lösungen zu Cranstons Geheimnis nach und fragte sich, ob
er in Blackfriars wohl finden würde, was er suchte. Plötzlich
richtete er sich auf, und ein Gedanke überlief ihn eisig. Wenn nun
der Mörder in Blackfriars bereits gefunden hatte, was er suchte? Er
rückte die Stola zurecht und wollte eben aufstehen, als er leise
Schritte hörte. Plötzlich angespannt, setzte er sich wieder, denn
in der Kirche war es jetzt ganz still. Auch draußen war alles
ruhig, denn Höker, Händler und die Bewohner der Pfarrgemeinde
ruhten während der heißen Stunden des Tages. Wer kam jetzt? Er
hörte, wie jemand auf dem Betstuhl niederkniete.
»Segne mich, Vater, denn ich habe
gesündigt.« Athelstan erstarrte, als er Benedictas Stimme erkannte.
Er schloß die Augen und verschränkte die Hände ineinander. Es war
das erste Mal, daß Benedicta zu ihm kam. Wie auch anderen in seiner
Pfarrei, war es ihr vielleicht peinlich, bei ihrem eigenen Priester
zu beichten, und so ging sie immer zu einem anderen. Er entspannte
sich ein wenig, als er die Litanei ihrer kleinen Vergehen hörte:
unbarmherzige Gedanken und Worte, verspätetes Erscheinen zur Messe,
Schlafen während der Predigt. Bei dem letzten Bekenntnis streckte
Athelstan ihr hinter dem Vorhang die Zunge heraus. Dann verstummte
Benedicta. »Ist das alles?« fragte er leise.
»Pater, ich bin Witwe. Eine Zeitlang
dachte ich, mein Mann könnte noch leben. Darüber war ich froh, aber
ich war auch traurig.«
Athelstan wappnete sich.
»Ich hätte nicht traurig sein
dürfen«, fuhr Benedicta fort.
»Und wenn ich mir gewünscht habe, er
möge tot sein, so bekenne ich das jetzt.«
»Dann ist dir auch
vergeben.«
»Wollt Ihr nicht wissen, Pater,
warum ich traurig war?«
»Du mußt beichten, wie dein Gewissen
es dir befiehlt, weiter nichts.«
»Ich war traurig, Pater, weil ich …
seht Ihr, ich liebe einen anderen Mann. Manchmal begehre ich
ihn.«
»Jemanden zu lieben ist keine
Sünde.« Athelstan war sicher, daß Benedicta weitersprechen
würde.
»Ich verstehe, Pater«, sagte sie.
»Wenn das so ist, dann bereue ich diese und alle meine Sünden von
Herzen.« Athelstan gab ihr eine kleine Buße auf und hätte sich in
den Worten der Absolution beinahe verheddert. Gespannt wie eine
Bogensehne saß er da, bis Benedicta aufstand und leise hinausging.
Behutsam schloß sie die Tür hinter sich. Er seufzte tief und ließ
sich auf seinem Stuhl zurücksinken. Er wußte, was Benedicta hatte
sagen wollen, und er war nur allzu froh, daß sie nicht
weitergesprochen hatte. Er stand auf und streckte sich; dann ging
er durch den Lettner und schaute hinauf zu dem Kruzifix über dem
Altar. »Pater Paul hatte recht«, sagte er leise. »Die Liebe ist
etwas Schreckliches.« Eine Weile erforschte er sein Gewissen. Er
liebte Benedicta! Er starrte die verrenkte Gestalt am Holzkreuz an.
Würde Christus ihn verstehen? Liebte Er, der ja jedermann lieben
sollte, irgendwen besonders? Athelstan rieb sich die Augen. Er
dachte an die Heilige Schrift, an die Frauen, die Christus
nachgefolgt waren, an die Frauen, die bei
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