Die Sakristei Des Todes
dann beginnt Ihr zu prahlen, und das könnte die ganze
Situation belasten.«
»Der junge König selbst hat die
Lösung in einem versiegelten Umschlag.«
»Sir John, es soll schon vorgekommen
sein, daß solche Dokumente ausgetauscht wurden.«
»Titten und Eier!« erwiderte
Cranston. »Solche Bemerkungen, Sir John, sind nicht hilfreich und
zeigen wenig Dankbarkeit für das, was ich getan habe.«
»Dankbarkeit! Dankbarkeit!« äffte
Cranston ihn schneidend nach. Er hob seinen Humpen, trank ihn leer
und setzte ihn mit lautem Schlag wieder auf den Tisch; dann kehrte
er Athelstan halb den Rücken zu wie ein schmollender Junge. »Wie
geht es den Kerlchen?« fragte Athelstan mild. »Herrliche, ganz
herrliche Buben!« brummte Cranston. »Und Lady Maude? Liebreizend
wie immer?« Cranston warf einen bösen Blick über die Schulter, und
Athelstan wußte, woher Sir Johns Unbehagen rührte. »Verstehe«,
sagte er.
Sir John schnaubte kurz und drehte
sich wieder um. »Athelstan, tut mir leid. Aber ich komme mir vor
wie ein Bär mit Kopfschmerzen.«
Athelstan widersprach lieber nicht.
»Habt Ihr meine zweite Nachricht erhalten?«
»Ja, und binnen einer Stunde war der
schnellste Kurier der Stadt unterwegs nach Norden, und er hatte ein
Pferd zum Wechseln dabei. Ich habe getan, was ich
konnte.«
»Dann, Sir John, wollen wir sehen,
was wir in Blackfriars tun können.«
Den furchtbaren Todesfällen zum
Trotz, die sich dort ereignet hatten, schien das Kloster zu seinem
üblichen, heiter-stillen Alltagsleben zurückgekehrt zu sein. Der
Pförtner ließ sie herein, und Bruder Norbert begrüßte sie
freundlich, übergab ihre Pferde einem Roßknecht und führte sie zum
Gästehaus. »Alle Bücher sind jetzt da«, verkündete er stolz. »Jedes
einzelne. Allerdings vermute ich, die Brüder wissen inzwischen, daß
Ihr etwas sucht.« Der junge Laienbruder lächelte Cranston an. »Und
es gibt Met, Ale und Wein für Euch, Sir John. Ich denke, Eure Suche
wird lange dauern.« Er hatte recht. Im oberen Gemach erwarteten sie
noch mehr dicke, ledergebundene Bücher. Cranston stöhnte auf und
sauste pfeilschnell die Treppe hinunter in die Speisekammer.
Athelstan wusch sich Gesicht und Hände und machte sich sofort
wieder an die Arbeit, hin und wieder unterstützt durch Sir
John.
Als es Nacht wurde, bat Athelstan
Norbert um weitere Kerzen und versenkte sich in seine Studien; nur
gelegentlich machte er eine kleine Pause, um einen Happen zu essen
oder einen Schluck verdünnten Wein zu trinken. Irgendwann schlief
er über den Büchern ein, wachte mit schmerzendem Rücken und
verkrampften Schultern wieder auf und setzte seine Suche fort. Am
nächsten Morgen las er gleich nach dem Morgengrauen die Messe; ins
Gästehaus zurückgekehrt, bemühte er sich, Cranstons Schnarchen zu
ignorieren, und griff nach dem nächsten Band, um die
Pergamentseiten durchzublättern. Cranston wachte auf und
behauptete, er habe rasenden Durst. Athelstan nickte
geistesabwesend, und Sir John wusch sich, zog sich an und ging
hinüber ins Refektorium. Als er zurückkam, beschrieb er in allen
Einzelheiten, was er gegessen hatte. Athelstan hörte nicht zu, und
schließlich nahm der Coroner mißmutig und widerspenstig einen der
kleineren Bände zur Hand und knurrte lautstark: »Hildegarde!
Hildegarde! Zum Teufel mit Hildegarde!« Am Mittag kamen der Prior
und die anderen Mitglieder des Generalkapitels zu Besuch. Alle
hatten sich vom Schrecken der Entdeckung im Chor erholt und standen
jetzt kühl und einigermaßen distanziert beieinander in der Küche;
sie wollten sich nicht setzen und auch nichts essen oder trinken.
William de Conches und Eugenius schauten Athelstan verächtlich an,
und Henry von Winchester legte bemühte Geduld an den Tag, um seinen
Verdruß zu verbergen, während die Brüder Niall und Peter aus ihrem
Ärger über die lange Verzögerung der Angelegenheit keinen Hehl mehr
machten. »Wir können nicht ewig hierbleiben, Bruder Athelstan«,
erklärte Peter nachdrücklich. »Die Sache muß zu einem Ende gebracht
und über Bruder Henrys These ein Urteil gefällt werden. Bruder
Niall und ich müssen heimkehren, und der Großinquisitor und sein
Gehilfe haben eine weite Reise vor sich.«
Athelstan schaute den Prior an, aber
auch Anselm zeigte sich kühl und ungerührt.
»Ich will nichts weiter, als daß
diese Angelegenheit aufgeklärt wird, Athelstan«, sagte er, »damit
das Haus zu seinem gewohnten Alltag zurückkehren kann.«
»Und was ist mit denen, die
gestorben
Weitere Kostenlose Bücher