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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Zeitlang
kniete Athelstan auf den Stufen vor dem Altar und betete um die
Gnade, ein guter Beichtvater zu sein. Vor den großen Festen der
Kirchenliturgie pflegte er immer die Beichte zu hören: vor
Weihnachten, Ostern und Pfingsten und vor Fronleichnam im
Mittsommer. Diejenigen, die Absolution wünschten, knieten im
Eingang der Kirche und warteten, bis sie an die Reihe kamen;
daraufhatte Athelstan bestanden, damit niemand belauschen konnte,
was der Beichtende drinnen zu sagen hatte. Mugwort kam herein, und
Athelstan versicherte, es sei alles bereit. Die Glocke läutete und
lud alle, die von ihren Sünden freigesprochen werden wollten, ein,
herbeizukommen.   
    Den ganzen Vormittag und einen Teil
des Nachmittags hörte Athelstan nun die Bekenntnisse seiner
Pfarrkinder. Es war die übliche Litanei von Sünden, seinen eigenen
gar nicht unähnlich, wie Athelstan im stillen erkannte: schmutzige
Reden, obszöne Gedanken, Diebstahl auf dem Markt, Schlafen während
der Messe, Trunkenheit. Hin und wieder hörte er etwas Neues: Einen
Vater gelüstete es nach der Frau seines Sohnes, und jemand hatte im
Geschäft eine falsche Waage benutzt. Er lehnte sich zurück und
hörte alle an; hin und wieder stellte er sanft und leise eine
Frage. Am Ende beugte er sich vor und ermahnte sie, barmherziger zu
sein, gütiger und reiner in Herz und Sinn. Er gab ihnen eine kleine
Buße auf, meist ein mildtätiges Werk oder ein paar Gebete, die sie
in der Kirche sprechen sollten. Dann erteilte er die Absolution,
und der Büßer zog sich zurück.   
    Erholung boten nur die Beichten der
Kinder, die Athelstan immer am liebsten hatte, weil sie ihn zum
Schmunzeln brachten - piepsende kleine Stimmen mit einer Liste von
belanglosen Sünden. Eine der Töchter des Kesselflickers ließ ihn
laut lachen: Die arme Kleine hatte einem von Pikes Söhnen erlaubt,
sie zu küssen, und jetzt litt sie arge Gewissensqualen. So erpicht
war sie darauf, ihren Fehltritt hervorzusprudeln, daß sie sich auf
den Betstuhl stützte und nicht sagte: »Segne mich, Vater, denn ich
habe gesündigt«, sondern statt dessen fieberhaft begann: »Küsse
mich, Vater, denn ich habe gesündigt.«
    Athelstan beruhigte sie und erklärte
ihr, ein Kuß auf die Lippen, ganz gleich, wie lange er dauere, sei
keine ernste Angelegenheit; glücklich zog das Mädchen davon. Er
hörte neues Getrippel, und dann zirpte ein dünnes Stimmchen hinter
dem Vorhang: »Segne mich, Vater, denn ich habe gesündigt.«
Athelstan bedeckte lächelnd das Gesicht mit den Händen, denn er
erkannte die Stimme Crims, seines Altardieners.
    »Pater«, fuhr Crim mit gedämpfter
Stimme fort, »ich habe mich geweigert,
meine Zwiebeln zu essen.«
    Athelstan nickte ernst.
    »Meine Mutter hatte sie extra
gekocht.«
    Athelstan holte tief Luft, um nicht
laut zu lachen.
    »Was gibt es sonst noch, mein
Junge?«
    Aber Crim war seltsam stumm
geworden. »Pater«, stammelte er, »ich habe sechsmal Unzucht
begangen.« Athelstans Unterkiefer klappte herunter, und er merkte,
wie seine Nackenhaare sich sträubten. In den bischöflichen Regeln
für den Beichtvater war die Verderbtheit von Kindern nichts
Unbekanntes und galt als höchst betrübliches Moralvergehen.
Athelstan zog den Vorhang beiseite und schaute Crim in sein
schmutziges, erschrockenes Gesicht. »Crim«, flüsterte er. »Komm
herüber.« Der Junge kam zu ihm getappt.
    »Crim, was redest du da? Weißt du,
was Unzucht ist?« Der Junge nickte.
    »Und du hast sie sechsmal begangen?«
Wieder ein Kopfnicken. »Was ist Unzucht, Crim?«
    Athelstan schaute dem Jungen ernst
in die bekümmerten Augen. War der Junge deshalb manchmal so still
und zurückgezogen? Crim schloß die Augen. »Unzucht«, piepste er,
»ist ein schmutziger Akt!« Athelstan ließ die Hand des Jungen los
und lehnte sich zurück. »Erzähle mir genau, was passiert ist, mein
Junge.«
    »Nun, Pater, Ihr wißt, daß ich für
meine Mutter zum Markt gehen muß. Ich kann am schnellsten rennen,
und zur Belohnung gibt sie mir immer einen Becher Wasser mit
Honig.« Athelstan verstand jetzt überhaupt nichts mehr. »Was hat
denn das damit zu tun, Crim?«
    Der Junge wurde rot und blickte zu
Boden. »Wenn ich vom Markt zurückkomme, muß
ich pissen, und das tue ich draußen im Freien.«
    Athelstan lachte und nahm den Jungen
wieder bei der Hand. »Ist das alles, Crim?« Der Junge
nickte.
    »Und wieso glaubst du, das sei
Unzucht?«
    »Nun, Pater, meine Mutter sagt
immer, Cecily treibt Unzucht und andere

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