Die Salzbaronin
Georg sich zu beruhigen. Vielleicht würde sich alles noch von selbst geben.
Von der gepflasterten Hofeinfahrt klang Hufgeklapper zu ihm herüber. Es war Frederick, der von seiner Jagd zurückkam. Er hörte, wie sein Vater seinen Jagdgehilfen, einen drahtigen jungen Burschen, anschrie, er möge sich zum Teufel scheren. Georgs Laune verschlechterte sich nochmals. Wenn nur Martin schon hier wäre! Er konnte es kaum erwarten, seinen Freund wiederzusehen. Zu viele Fragen surrten inzwischen um ihn herum wie lästige Insekten, die sich nicht abschütteln ließen. Martin mit seiner Weltgewandtheit würde ihm sicher weiterhelfen können. Und wozu waren Freunde schließlich da?
10
Statt des Lachses im Spargelbett, der Ochsenbrust in Madeirawein und auch der in Sahne ertränkten Erdbeeren hätte der Koch an diesem Abend ebenso gut trockenes Brot auf den Tisch bringen können. Niemand würdigte die Köstlichkeiten, die wie jeden Tag mit Sorgfalt zubereitet worden waren, jeder war zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
Dorothea schob mit ihrer Gabel kleine Fleischstücke in der Rotweinsoße hin und her. Sie kostete das zarte Fleisch nicht einmal. Jeder Bissen würde ihr im Halse stecken bleiben! Wieder einmal war Georg zu keinem Entschluss gekommen. Weder war er zu Rauber gegangen, noch hatte er sie damit beauftragt. Statt dessen war er unvermittelt aufgestanden und hatte das Amtszimmer verlassen, ohne sich zu verabschieden. Sie musste zugeben, dass sie es sich leichter vorgestellt hatte, ihren Bruder von ihren Vorstellungen zu überzeugen. Statt ihren guten Argumenten zu folgen, verhielt er sich stur wie ein Ochse und genauso schwer lenkbar. Etwas musste sich ändern, soviel stand fest.
Frederick von Graauws Blick war so düster, wie man ihn selten gesehen hatte. Nachdem er sich beim Fisch lang und breit über seine misslungene Hirschjagd ausgelassen hatte, stopfte er nun Bissen für Bissen der Ochsenbrust in sich hinein, als gälte es, in kürzester Zeit die größtmögliche Menge zu verzehren. Niemand am Tisch sprach, eine Zeitlang war nur das Klirren von aneinanderschlagendem Tafelsilber zu hören. Dann hatte Frederick damit begonnen, seine schlechte Laune an einem nach dem andern auszulassen: Viola warf er vor, den falschen Wein ausgesucht zu haben. Georg und Elisabeth gegenüber machte er den recht taktlosen Vorwurf, die frohe Kunde schuldig zu bleiben, dass er demnächst Großvater würde, woraufhin Elisabeth feuerrot anlief.
Als Luise die Teller abräumte und Kristallschalen für das Dessert auftrug, war die Luft im Raum zum Schneiden dick. Jede von Violas Gesten drückte ihren Missmut aus, beleidigt hingen ihre Mundwinkel nach unten, während sie wortlos die Erdbeeren weiterreichte. Georg sah aus, als würde er an etwas Ungesagtem fast ersticken. Elisabeths Miene war verschlossen wie die eines trotzigen Kindes. Furcht oder Erschrecken konnte Dorothea darauf jedoch zu ihrem Erstaunen nicht feststellen. Sie hätte damit gerechnet, dass ihre Schwägerin spätestens nach zwei, drei von Fredericks Angriffen in Tränen aufgelöst aus dem Zimmer laufen und so seinen Zorn erneut entfachen würde. Statt dessen saß sie da und führte wie eine Marionette Gabel für Gabel klein geschnittener Erdbeeren zum Mund, scheinbar völlig unbeeindruckt. Manchmal kam es Dorothea so vor, als würde Elisabeth nur die Hälfte von dem mitbekommen, was um sie herum geschah. Sie machte immer ein wenig den Eindruck, als verlöre sie sich in ihrer eigenen Welt.
Dann war Dorothea an der Reihe.
Frederick hob sein Glas gegen das Licht des dreiflammigen Kerzenleuchters und bewunderte die bernsteingelbe Flüssigkeit darin, die beim Hin-und Herschwenken dicke Schlieren an der Glaswand hinterließ. »Nächstes Wochenende kommt Alexander. Dann gehen wir gemeinsam auf die Hirschjagd. Vielleicht ist sein Gehilfe begabter als der meinige, was das Nachahmen von Brunftschreien angeht«, sagte er zu niemand Bestimmtem.
Der belanglose Ton seiner Stimme ließ Dorothea aufhorchen. Als sie zu ihm hinüberschaute, trafen sich ihre Blicke. »Für eines werde ich sorgen: dass die Einzelheiten eurer Hochzeit geklärt werden.« Er nahm einen Schluck Sherry. »Lange genug habe ich Esel zugeschaut, wie du deine Nase in Angelegenheiten der Saline gesteckt hast, anstatt dich um die Hochzeit zu kümmern!« Er war mit jedem Wort lauter geworden und warf jetzt jedem am Tisch böse Blicke zu.
Viola sah inzwischen aus, als würde sie bald platzen. Hatte sie nicht seit
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