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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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glaubte, es wäre sogar noch weiter gewesen. Am Ende hatten sie aufgegeben und waren zur nächsten Wache gerannt.
    Der Gendarm lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. »Wie viel Geld wurde Ihnen abgenommen?«
    Helmut nannte den Betrag, woraufhin sein Gegenüber einen Pfiff ausstieß.
    »Wir werden natürlich alles versuchen. Aber wenn nicht ein Wunder geschieht, müssen Sie davon ausgehen, dass Sie das Geld für immer verloren haben.«
    » Was ? Aber –«
    »Sie sind auf eine wüste Bande hereingefallen, die schon im zweiten Frühjahr in unserer schönen Stadt ihr Unwesen treibt. Zuvor waren sie in Pressburg tätig. Bisher konnten wir sie nicht fassen.« Der Gendarm wandte den Blick ab, als fühle er sich persönlich für dieses Versagen verantwortlich.
    »Aber das Lokal, ich meine, die ›Goldene Henne‹! Die Frauen sind dort bekannt! Und in dem ersten Wirtshaus, also dort, wo wir sie trafen, kennt man sie auch. Die Wirtin ist sogar die Tantevon einem der Weiber. Dass sie keine Schauspielerinnen sind, ist mir inzwischen klar, aber –«
    »Diese ›Goldene Henne‹ gibt es nicht, und die Wirtin hat ihre ›Nichte‹ gestern wahrscheinlich zum ersten Mal gesehen«, unterbrach der zweite Gendarm Helmut barsch. »Die ganze Geschichte war eine Inszenierung, so gesehen sind die Damen durchaus Schauspielerinnen …«
    Mit starrer Miene lauschten die Brüder, was der Gendarmerie von der Vorgehensweise der Räuberbande bekannt war: Die Damen, die sich als Hofschauspielerinnen ausgaben, betraten ein Wirtshaus und taten auffällig vertraulich mit dem Wirt oder der Wirtin. Dies sollte ihre zukünftigen Opfer in Sicherheit wiegen. In Wirklichkeit besuchten sie jedes Gasthaus nur ein einziges Mal. Dann spähten sie den Raum aus – sie besaßen offenbar einen äußerst guten Blick für besonders willige und ›zahlungskräftige‹ Opfer. Nachdem sie den Kontakt hergestellt hatten, folgte jedes Mal das gleiche Spiel: Sie erzählten den Opfern von einem Gartenlokal, in dem bessere Unterhaltung geboten werde. Dieses ›Lokal‹ wurde von den Komplizen für nur einen Abend in einem Garten der vielen leer stehenden Sommersitze am Donauufer aufgebaut, angefangen beim Wirtshausschild über Tische, Bänke und Musik. Am nächsten Morgen war die ganze Staffage wie von Zauberhand wieder verschwunden.
    »Die Gäste, der Geigenspieler – alles nur gespielt?«, fragte Valentin fassungslos. Die Sache war so unglaublich, dass er darüber für einen gnädigen Augenblick die traurige Rolle vergaß, die sie selbst in diesem Spiel innehatten.
    Die Gendarmen nickten. Über den weiteren Verlauf eines solchen Abends gingen die Aussagen der bisherigen Opfer auseinander: Die einen behaupteten, so wie Helmut, einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen zu haben, andere wiederum glaubten, ein einschläferndes Mittel eingeflößt bekommen zuhaben. Das Ergebnis war dasselbe: Nachdem die Opfer bis auf den letzten Heller ausgeraubt worden waren, wurden sie in irgendeiner Gasse ausgesetzt. Bis sie erwachten, waren die Räuber längst über alle Berge oder bereiteten ihr nächstes »Theaterstück« vor.
    »Wir haben der Räuberbande den Namen ›Frühjahrsdiebe‹ gegeben, denn sie handeln nur zu dieser Jahreszeit und bei schönem Wetter.« Der Wachmann lachte müde. »Hätte es gestern in Strömen geregnet, wären Sie heute noch im Besitz Ihres Geldes …«
    »Und wären Sie erst in ein, zwei Monaten nach Wien gekommen, ebenfalls«, ergänzte der andere. »Dann sind die Sommersitze bewohnt, und den Räubern fehlt die Kulisse für ihre Scharade …«
    »Sag jetzt bloß nichts«, zischte Helmut, kaum dass sie die Gendarmerie verlassen hatten. »Jeden Vorwurf, den du mir machen kannst, mache ich mir doppelt und dreifach! Hätte ich doch nur auf dich gehört! Ein bisschen Spaß wollte ich haben – nun, den haben wir jetzt!«
    Valentin nickte verdrossen. Ihm stand nicht der Sinn danach, Helmut Vorwürfe zu machen, im Gegenteil. Hätte er darauf bestanden, dass sie in sicherer Nähe ihres Fremdenzimmers blieben … Angestrengt schluckte er aufsteigende Tränen hinunter. Wenn er jetzt auch noch losheulte wie ein Wickelkind …
    »Es nutzt alles nichts!« Er legte Helmut einen Arm um die Schulter. Dieser erwiderte die Geste. »Uns bleibt jetzt nur noch übrig zu überlegen, wie wir nach Hause kommen und …« Valentin brach seufzend ab.
    »Und wie wir daheim unsere Dummheit erklären«, ergänzte Helmut an seiner Stelle.

31
    »Und dann … wie aus

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