Die Samenhändlerin (German Edition)
Fensterbrettern vor, doch als Helmut sie nach den Eisheiligen fragte, ob sie die kleinen Pflänzchen gemeinsam ins Freie setzen sollten, winkte sie lustlos ab. So war es Seraphine, die diese Aufgabe übernahm – »Hannahs Acker« gab es nicht mehr.
»Und du bist dir sicher, dass du nicht mit nach Reutlingen kommen willst?«, fragte Valentin nicht zum ersten Mal an diesem Morgen.
Statt zu antworten, schnaubte Seraphine lediglich. Mit gerunzelter Stirn bemühte sie sich, ihr Kopftuch hinten im Nacken zu knoten, was ihr sichtlich schwer fiel. Am Ende bedeckte das winzige Tuch lediglich einen kleinen Teil ihres Kopfes und sorgte zumindest dafür, dass die silbernen Strähnen ihr nicht in die Stirn fielen.
Valentin sah sie bewundernd an. Bei jeder anderen Frau wäre ein Kopftuch lediglich eine praktische Kopfbedeckung beim Arbeiten gewesen – bei Seraphine unterstrich das graublaue Tuch noch den Glanz ihrer Haare, die dunklen, von langen Wimpern umkränzten Augen und machte sie noch schöner.
»Es reicht doch, wenn du und Hannah euch einen faulen Lenz macht!«, antwortete Seraphine nun, da sie ihre Aufgabe bewältigt hatte.
»Einen faulen Lenz machen – was soll das denn heißen? Es war doch deine Idee, dass ich Hannah mit nach Reutlingen nehmen soll!« Gereizt schaute Valentin in Richtung Treppe. Wie lange würde sich die Schwägerin noch Zeit lassen? Dass die Frauen immer so ewig brauchten! Sicher würde Lutz gleich mit seinem Wagen um die Ecke biegen, und er war bestimmt nicht begeistert, wenn er auf seine Mitfahrer warten musste.
»Ein bisschen Abwechslung kann Hannah nur gut tun. Vielleicht wird sie dadurch ein wenig umgänglicher …« Seraphine lächelte freundlich.
»Dir würde ein Bummel durch die Stadt aber auch nicht schaden«, entgegnete Valentin. »Du bist doch früher so gern nach Reutlingen gefahren! Der Besuch beim Stempelmacher wird schnell erledigt sein. Danach könnten wir Kaffee trinken oder die Geschäfte anschauen. Es tut weiß Gott nicht Not, dass du dich immer nur schindest!«
Natürlich war Valentin stolz darauf, dass sich seine Frau so ins Zeug legte und Hannah entlastete, wo es nur ging. Andererseits waren ihm Seraphines Arbeitseifer und ihreBesorgtheit in Bezug auf die Schwägerin geradezu unheimlich. Doch allzu lange wollte er sich bei diesem Gedanken nicht aufhalten, er führte stets dazu, dass sich eine dunkle Wolke über ihm zusammenbraute und er zu grübeln begann.
»Jetzt, wo Hannah ausfällt, müssen wir anderen zusammenhalten«, betonte Seraphine immer wieder. Alle stimmten ihr zu, da konnte er, Valentin, schlecht etwas dagegen sagen. Aber insgeheim war er der Ansicht, dass Hannah viel zu viel und schon viel zu lange geschont worden war. Dass ihr das ewige untätige Herumsitzen nicht gut tat, konnte doch ein Blinder sehen! Und was Seraphines Absichten in der ganzen Angelegenheit anging …
»Du könntest ruhig mitfahren«, wiederholte er mürrisch.
»Durch die Stadt bummeln und Kaffee trinken!« Seraphine schüttelte den Kopf. »Etwas anderes fällt dir nicht ein? Und dein Bruder soll ganz allein die Kartoffeln anhäufeln?« Sie hob kritisch die Brauen.
»Heute Nachmittag hätte ich ihm dabei helfen können, ich verstehe deinen Übereifer wirklich nicht!«
Dass Seraphine jede noch so unerquickliche Aufgabe willkommen hieß, wenn sie dabei nur Seite an Seite mit Helmut arbeiten konnte, war sogar schon der Mutter aufgefallen. »Die beiden geben ein feines Paar ab«, hatte sie am Fenster stehend vor sich hin gemurmelt, während Sera und Helmut im Garten das Laub vom Vorjahr zusammenrechten. »Da hätte was draus werden können«, fügte sie noch seufzend hinzu. Als sie Valentin, der sich neben sie gestellt hatte, gewahr wurde, lief sie puterrot an. »Eine fleißige Frau hast du dir da genommen!« Ihre betonte Munterkeit hatte die steile Falte auf seiner Stirn nicht glätten können. Der Anblick von Seraphine und Helmut, die sich lachend mit Laub bewarfen, ließ seine alte Eifersucht auf den Bruder mit Macht wieder aufwallen. Dabei sah man Helmut in diesen Tagen selten genug lachen! War es da nichtgeradezu schäbig von ihm, dem Bruder diesen fröhlichen Moment nicht zu gönnen? Aber musste er die fröhlichen Momente ausgerechnet mit seiner, Valentins, Frau erleben?
Hastig verdrängte Valentin das Bild aus seinem Kopf und starrte verdrießlich auf Seraphine hinab, die sich gerade die schweren Arbeitsstiefel zuband. Wie penibel sie dabei vorging – als ob sie sich auf
Weitere Kostenlose Bücher