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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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noch nicht gemerkt hast! Ich humpele! Ohne mich wärst du doch doppelt so schnell die Straße entlanggelaufen! Glaub nicht, dass ich nicht gemerkt hab, wie du aus Rücksicht auf mich langsam gegangen bist. Ich bin doch für alle nur noch eine Last! Und da soll ich mich hinstellen und Seraphine ins Gesicht sagen, dass sie sich zum Teufel scheren soll?« Lautlos begann sie zu weinen.
    Valentin schüttelte den Kopf. Er war versucht, sie in den Arm zu nehmen und tröstliche Worte zu flüstern, doch Mitleid war hier fehl am Platz. So fehl wie all das Mitleid, das Hannah in den vergangenen Monaten von der Familie entgegengebracht wurde. Das so genannte Mitleid …
    »In guten wie in schlechten Zeiten – das hast du dochHelmut versprochen! Oder kannst du dich nicht mehr daran erinnern?«
    Von einem Moment auf den anderen verschwand die Sonne, die gerade noch weiße Streifen durchs Fenster geworfen hatte. Schlagartig wurde es in der Wirtsstube dunkel.
    Hannah blinzelte Valentin durch einen Tränenschleier an. »Was hat denn das damit zu tun? Helmut kann man weiß Gott keinen Vorwurf machen. Er ist für mich da, auch jetzt, in den schlechten Zeiten«, sagte sie sarkastisch.
    Valentin lachte leise auf. »Und du?«
    »Was – und ich?«, kam es feindselig zurück.
    »Bist du auch für ihn da? Oder merkst du vor lauter Selbstmitleid gar nicht, wie sehr er leidet?«
    »Er leidet, weil seine Frau ein Krüppel ist!«, schleuderte sie Valentin entgegen. »Wie nett von dir, mich darauf aufmerksam zu machen!« Ihre Gesichtsmuskeln hatten sich verhärtet. Sie starrte stur geradeaus.
    Im selben Moment krachte es draußen. Der Donner ließ die Fensterscheiben in ihren Rahmen klirren.
    Valentin seufzte. Hoffentlich war das Gewitter vorüber, bis sie die Wirtschaft wieder verließen.
    »Du täuschst dich, meine Liebe. Helmut leidet, weil du dir nicht helfen lässt! Weil ihr keine richtige Ehe mehr führt! Weil du dich kaum noch um Flora kümmerst! Stattdessen suhlst du dich lieber in deinem Selbstmitleid. Du hast schon Recht: Helmut ist für dich da, aber du – du bist nicht für ihn da. Am Anfang, als wir aus Böhmen zurück waren, da hättest du seine Hilfe annehmen sollen. Und dann, nach einiger Zeit, hättest du zu ihm sagen sollen: ›Vielen Dank, jetzt brauche ich deine Hilfe nicht mehr, denn ich bin selbst wieder stark genug! Von nun an erledigen wir unser Tagwerk wieder gemeinsam!‹ Darum geht es doch zwischen Mann und Frau, oder?«
    Die Wirtin stellte zwei Teller dampfend heißer Kutteln vorihnen ab. Sowohl Valentin als auch Hannah waren dankbar für diese Unterbrechung.
    Valentin hatte sich endlich einmal alles, was ihm wegen Hannah durch den Kopf ging, von der Seele gesprochen. Deshalb begann er lustvoll zu essen. Doch Hannah stocherte in ihrem Essen nur herum.
    »Du glaubst also, ich hinke nur zum Spaß«, sagte sie so leise, dass ihre Stimme im nächsten Donnerkrachen fast unterging.
    »Nein, das glaube ich nicht«, erwiderte Valentin mit vollem Mund. »Aber ich finde, das alles ist viel weniger schlimm, als du annimmst. Ganz ehrlich, ich habe vorhin völlig vergessen, dass mit deinem Fuß etwas nicht stimmt! Du läufst doch längst wieder fast normal! Und wenn du dabei nicht mehr ganz so schnell bist wie früher, macht das doch nichts – du warst ja eh immer viel zu flink unterwegs!«
    »Das sagst du! Und vielleicht ist es sogar wahr. Aber die anderen … Seraphine …«
    Valentin zeigte mit der Gabelspitze direkt auf Hannah. »Jetzt kommen wir langsam auf den Punkt!«, sagte er und konnte den Triumph in seiner Stimme nicht verbergen. »Denk doch mal darüber nach! Vielleicht passt es meiner Seraphine ganz gut in den Kram, dich leidend und schwach zu sehen. Denn so hat sie ihren geliebten Helmut ganz für sich allein …« Trotz der Ironie in seinen Worten ließ sich der Schmerz, der ihn im selben Moment durchfuhr, nicht unterdrücken. Plötzlich war er so wütend auf Hannah, dass es ihn Mühe kostete, sie nicht an den Schultern zu packen und sie kräftig zu schütteln.
    Warum sah sie nicht, was er sah? Sah nicht, wie Seraphines Hand bei Tisch unauffällig über Helmuts Hand streifte, während sie ihm den Brotkorb reichte. Wie sie ihn einen Moment zu lange am Ärmel festhielt, um ihn auf irgendeine Kleinigkeit aufmerksam zu machen. Der Hunger in ihren Augen, wenn er zur Tür hereinkam. Die leichte Röte, die ihr in seinerGegenwart in die Wangen stieg. Er selbst war gewiss kein Meister, wenn es um die

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