Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
fort, der sich wie eine Schlange um ihre Schulter wand. »Lass mich in Ruhe!«
    Nur … eine … Plage …
    Nicht weinen. Nicht weinen. Wenn sie damit anfing, würde sie nie mehr aufhören können. Weinen kostete Kraft. Die sie nicht mehr hatte.
    Nur … eine … Plage …

43
    Mitten im Sommer schmolz die Schneedecke dahin, unter der Hannahs Leben so lange Zeit begraben gewesen war: Jeden Tag kam mehr von der alten Hannah zum Vorschein. Mal hörte man ein lautes Lachen, dann wieder einen derben Witz. Und bei alldem kehrte Hannahs Unbeschwertheit zurück. Niemandem im Haus blieb die Veränderung lange verborgen. Flora strahlte, weil ihre Mutter sich endlich wieder mehr Zeit für sie nahm. Wilhelmine und Gottlieb tuschelten über die Schwiegertochter, wenn sie glaubten, keiner höre sie. Und sie registrierten leicht befremdet, dass Helmut wie eine Klette an seiner Frau hing. Ob es zum Heuen auf die Wiese ging, zum Beerenpflücken in den Garten, ins Waschhaus oder Wirtshaus – nie sah man einen der beiden allein. Ein Mann, der so anhänglich war – hatte man so etwas schon gesehen?
    Einer ihrer ersten Wege nach jenem denkwürdigen Tag führte Hannah zu Emma und Käthe. Einen Korb mit den größten Kartoffeln, die sie im Keller hatte finden können, im Arm, öffnete sie ohne anzuklopfen die Wirtshaustür.
    »Kartoffeln?«, sagte Emma statt einer Begrüßung unwirsch und runzelte die Stirn. »Was soll ich damit?«
    Hannah hatte mit solch einem Empfang gerechnet. »Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln, heißt es bei uns in Nürnberg«, erwiderte sie und hielt Emma ein besonders großes Exemplar unter die Nase. »Hieran siehst du, wie dumm ich gewesen bin.«
    Das Lächeln, das über Emmas Gesicht huschte, war noch etwas bemüht. »Dann komm erst einmal herein«, sagte sie.
    In der Wirtsstube brach Hannah in Tränen aus und schimpfte über ihre eigene Dummheit, mit der sie die Menschen verletzt hatte, die ihr am liebsten waren. Nachdem sie sich tausendmal entschuldigt hatte, fielen sich die Frauen in die Arme. Jede hatte die andere vermisst, und nun waren sie heilfroh, dass sie ihre Freundschaft endlich wieder aufleben lassen konnten.
    Valentins Freude darüber, dass sein Plan so gut aufgegangen war, wurde davon getrübt, dass nur ein Teil seines Planes aufgegangen war. Denn was Seraphine anging …
    Das Verhalten seiner Frau konnte er nur als wunderlich bezeichnen. Sie war launischer denn je, zog sich entweder ganz in sich zurück und saß da wie ein Häufchen Elend, oder sie war so aufgekratzt, dass sie das ganze Tischgespräch an sich riss. Sie ackerte entweder von früh bis spät auf den Feldern – oder tat den ganzen Tag lang keinen Handstreich. Dann wieder hockte sie stundenlang über einer Zeichnung, einem Gedicht oder einem Märchen und ließ andere ihre Pflichten erledigen. Ein Mittelmaß gab es bei Seraphine nicht.
    Zu Hannah war sie entweder feindselig – aber nur, wenn Helmut nicht in der Nähe war –, oder sie tat von oben herab und nahm die Schwägerin gar nicht wahr. Hannah reagierte auf alles mit Gleichmut, sie schien zusammen mit ihrem alten Selbstbewusstsein auch einen schützenden Panzer gewonnen zu haben.
    Helmut mied Seraphines Nähe, wo es nur ging, er wich ihrem Blick aus und antwortete kurz angebunden, wenn sie das Wort an ihn richtete. Als Valentin ihn einmal fragte, ob es für seine Barschheit einen Grund gäbe, verneinte er, was Valentin jedoch nicht glauben mochte. Er wusste noch immer nicht, was an dem gewittrigen Maientag in der Schutzhütte vorgefallen war, denn niemand ließ sich näher dazu aus.
    »Nichts ist vorgefallen«, sagte Helmut.
    »Gar nichts«, sagte Seraphine.
    »Helmut und ich haben uns ausgesprochen«, sagte Hannah.
    So bemühte sich Valentin weiter um Seraphine. Um seine Liebe. Um seinen Seelenfrieden.
    »Mir geht da was durch den Kopf«, sagte Helmut wenige Wochen später zu Valentin, als sie sich im Büro aufhielten. »Es hat mit Hannah zu tun. Ich bin so glücklich, dass sie wieder die Alte ist, dass ich ihr gern eine Freude machen möchte.« Mit einem tiefen Seufzer lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück.
    Valentin zuckte desinteressiert die Schultern. Er konnte nicht behaupten, dass er dasselbe Bedürfnis gegenüber Seraphine empfand. Seine Frau ärgerte ihn, wo es ging! Erst letzte Nacht wieder, als sie –
    Unwillig warf er seinen Bleistift auf die Tischplatte, wo Helmut ihn auffing, bevor er zu Boden kullern konnte.
    »Und was hast du

Weitere Kostenlose Bücher