Die Samenhändlerin (German Edition)
Zahlenvergleich.
Eine Reise nach Holland … so etwas Verrücktes! Als ob sie nicht schon genug in der Welt herumfuhren. Wie konnte Helmut nur auf solch eine Idee kommen? Die Frage war doch, ob Hannah überhaupt der Sinn nach einer erneuten Reise stand, wo sie im Herbst so schlechte Erfahrungen gemacht hatte.
Andererseits waren sie noch nie mit den Frauen unterwegs gewesen. Er und Seraphine am Meer … Ein Lächeln umspielte seine Lippen bei der Vorstellung, wie ihre Haare wie ein silberner Schal im Wind flattern würden.
Weg von zu Hause, von all den Pflichten und Aufgaben, die ihren Alltag so füllten, dass Gefühle darin manchmal keinen Platz mehr fanden. Neues sehen, es gemeinsam sehen, darüber staunen, lachen, die salzige Luft der holländischen Küste atmen, abends in einer fremden Kammer, in einem fremden Bett schlafen gehen, das keine unguten Erinnerungen beherbergte, und …
Vielleicht war Helmuts Idee gar nicht so schlecht? Er räusperte sich. »Wann würdest du denn abreisen wollen?«
Helmut grinste. »Ich habe an Ende Juli gedacht. Bis dahin haben die Weiber das Kraut im Keller, die Gurken sind eingelegt, die Marmelade ist eingekocht, die Frühkartoffeln sindauch schon drin, und bis zur Apfelernte wären wir wieder zurück. Du siehst, ich habe an alles gedacht!« In einer triumphierenden Geste hob er beide Arme.
Valentin nickte langsam. »Und die Reise selbst, ich meine, Hannah ist zwar schon wieder ganz ordentlich zu Fuß, aber die Strecke, von der wir reden, schafft sie gewiss nicht.«
»Ich lass sie doch nicht von hier bis zum Meer zu Fuß laufen, was denkst du von mir?«, erwiderte Helmut empört. »Nein, wir würden so viel wie möglich fahren. Wo es Züge gibt, nehmen wir die, ansonsten mieten wir uns eine Kutsche. Und wir lassen uns Zeit, Hannah soll sich nicht überanstrengen! Ich hoffe immer noch, dass ihr Humpeln sich irgendwann ganz verliert. Alles ist möglich, Bruder, wenn man nur will!«
Valentin spürte, wie ein kleiner Samen Hoffnung in ihm zu keimen begann. Alles war möglich, warum eigentlich nicht?
»Und wann sollen wir mit den Eltern sprechen?« Lächelnd hielt er seinem Bruder die Hand hin, als würden sie einen Handel besiegeln.
Helmut erwiderte seinen Händedruck fest.
»Sobald Vater aus dem Rathaus zurück ist. Zu zweit werden wir ihn so bearbeiten, dass er am Ende gar nicht anders kann, als uns eine gute Reise zu wünschen!«
44
Es war nicht das Töpfeklappern aus der Küche des Gasthofs, die unter den Schlafkammern lag, das Hannah nach einer Nacht im Tiefschlaf weckte. Es war auch kein Klappern von Milchkannen. Es war ein eigentümliches »Klack, klack, klack«, von dem Hannah wach wurde. Zuerst wollte sie unwirsch ihren Kopf unter die Decke stecken – die lange Reise und diespäte Ankunft am Vorabend steckte ihr doch arg in den Knochen. Außerdem war ihr wie so oft in letzter Zeit speiübel. Doch im nächsten Moment lief ein Strahlen über ihr Gesicht.
Sie war in Holland!
Und »klack, klack, klack« machten die Holzschuhe, mit denen die Bauern und Anwohner von Haarlem auf dem Kopfsteinpflaster unterwegs waren. Da gab es das langsame Klacken einer faulen Milchmagd und das hastige Klacken von Hausfrauen, die ahnten, dass der Tag wieder einmal zu wenig Stunden haben würde, das harte Klacken von großen Männerfüßen in schweren Holzpantinen. Dass Menschen auf so verschiedene Weise liefen, das war Hannah noch nie aufgefallen. Der Gedanke, welch sonderliches Geräusch sie in solchen Schuhen verursachen würde, ließ ihre Miene kurz verdüstern.
Doch gleich darauf schwang sie voller Elan die Beine über die niedrige Bettkante. Sie konnte es kaum erwarten, mehr zu sehen von diesem fremden, aufregenden Land! Hand in Hand mit Helmut …
Nach einem hastigen Mahl, das aus Buttermilch und sehr schwarzem Brot bestand, machten sie sich auf den Weg zu Piet van den Veyen, dem Tulpenzüchter, bei dem die Brüder ihre Einkäufe tätigen wollten.
Als die Tür des Gasthofes hinter ihnen zuschlug, seufzte Hannah heimlich. Wie schön wäre es jetzt gewesen, allein mit Helmut, Hand in Hand, auf Entdeckungsreise zu gehen! Ohne Seraphine, die wie ein kleines Kind ständig versuchte, Helmuts Aufmerksamkeit zu erheischen. Ohne Valentins bemühte Fröhlichkeit.
Einerseits fand Hannah es bewundernswert, mit welchem Gleichmut der Schwager auf die Launen seiner Frau reagierte, ja, sogar fast immer noch ein freundliches Wort für sie übrig hatte. Doch andererseits hätte sie es
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