Die Samenhändlerin (German Edition)
gern gesehen, wenn eretwas strenger mit seinem Weib gewesen wäre. Vielleicht hätte ihr das die Launenhaftigkeit ausgetrieben!
Schon nach kurzer Zeit gelangten sie auf den Marktplatz. Der Anblick der vielen hübschen Läden zauberte schlagartig ein Lächeln auf Hannahs Gesicht. Besser zu viert in Holland als gar nicht!
Immer wieder musste Helmut seine Frau, die ihre Nase in die Auslage eines jeden Geschäftes steckte, am Arm packen und weiterziehen. Sie hätte einen Stadtbummel dem Ausflug aufs Land liebend gern vorgezogen – vom Land kamen sie schließlich selbst. Warum konnten sie nicht warten, bis all die Geschäfte geöffnet hatten, um auch einen Blick in das Innere zu werfen? Und wo sie einmal dabei war: Warum konnten sie nicht einen Tag in Amsterdam einplanen?
Sehnsüchtig dachte Hannah an die prächtigen Plätze, die hohen, eleganten Patrizierhäuser und die vielen Brücken, die sie auf ihrer Durchreise durch Amsterdam gesehen hatten. Den Brüdern hatte jedoch viel daran gelegen, dem emsigen Treiben der großen Stadt so schnell wie möglich wieder zu entfliehen.
Leider! Hannah seufzte. Gegen Amsterdam war Haarlem ein ruhiges Nest, aber immerhin war es ein Nest mit etlichen verführerischen Läden.
»Bestimmt gibt es irgendwo diese hübschen Holzschuhe zu kaufen. Davon will ich unbedingt ein Paar mit nach Hause nehmen. Ich trage sie aber erst, wenn ich wieder ganz normal laufen kann. Und für Flora möchte ich auch welche! Schau doch nur, sogar die Kleinsten laufen hier in diesen Schuhen herum.« Hannah zeigte auf eine Gruppe von Kindern, die laut klackernd über den Marktplatz rannten.
»Holzschuhe!«, knurrte Helmut. »Das ist doch nur was für arme Leute. Sei froh, dass wir uns Schuhwerk aus Leder leisten können!«
»Ich möchte aber … Ach Helmut, die Tulpenzwiebeln laufen uns doch nicht davon, oder?«
»Die Läden hier auch nicht«, gab Helmut brummend zurück und ließ sich nicht erweichen. Doch im nächsten Moment drückte er Hannah einen schmatzenden Kuss auf die Wange. »Aber wenn wir bei Piet fertig sind, dann lassen wir es uns gut gehen!« Er lachte. »Ich kaufe dir, was du willst. Wir werden Heringe essen oder diese feinen Küchlein, die sie hier in den Gasthäusern anbieten. Und Bier werden wir trinken, krügeweise! Vor lauter Hitze ist mir der Mund jetzt schon ganz trocken. Kein Laden und kein Wirtshaus wird vor uns sicher sein – das wird ein Fest! Ach, es ist so schön, dass du dabei bist!« Den letzten Satz flüsterte er in Hannahs Ohr.
»Und Holzschuhe kaufen wir auch!«, rief Valentin fröhlich. »Ich kann es kaum erwarten, die hübschen Füße meiner Frau darin zu sehen!« Lachend schnappte er Seraphines Hand und wollte sie im Takt seines Schrittes nach oben schwingen, doch sie entwand sich seiner Berührung.
»Ich bin doch kein Bauerntrampel«, empörte sie sich. »Und billigen Tand will ich auch nicht. Viel lieber würde ich mich mit meinem Zeichenblock irgendwo hinsetzen, wozu habe ich das Zeug denn sonst den ganzen Weg mit mir geschleppt?« Sie zeigte auf ihr Bündel, in dem sie einen Farbkasten und den Malblock verstaut hatte. »Diese schmucken Windmühlen überall …«
»Dann eben nicht«, erwiderte Valentin gleichmütig. »Du wirst schon noch ein schönes Motiv für eines deiner Bildchen finden.« Er seufzte zufrieden. »Verdammt, es tut richtig gut, ausnahmsweise einmal selbst als Kunde unterwegs zu sein! Man fühlt sich so … erhaben!« Er schlug seinem Bruder freundschaftlich auf die Schulter.
Hannah strahlte. Alles stimmte: das schöne Wetter, die hübsche Stadt, die gute Laune der Männer … Da fiel nicht einmalSeraphines mürrische Miene ins Gewicht! Dass sie selbst jemals wieder so glücklich sein würde, hätte sie vor ein paar Monaten nicht zu hoffen gewagt.
Im nächsten Moment wäre sie fast auf Valentin geprallt, der mitten auf der Straße stehen geblieben war.
»Schaut euch mal dieses Haus hier an. Seht ihr den Stein ganz oben, dort, wo sich das Dach gabelt?«
Mit zusammengekniffenen Augen folgte Hannah seiner ausgestreckten Hand. »Da ist eine Zahl in den Stein eingehauen, eins sechs drei sieben, wahrscheinlich eine Jahreszahl, aber was hat sie zu bedeuten?«
»Dieser Stein erinnert an das Jahr, in dem hier in Haarlem alles zusammenbrach. An eine Zeit, in der wohlhabende Bürger zu Bettlern wurden und Bettler verhungerten. Unser letzter Besuch bei Piet liegt zwar schon ein paar Jahre zurück, aber an diese eine Geschichte, die er uns damals
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