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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Freude zugenommen. Hannah hatte das Gefühl, als wäre sie aus einem bösen Alptraum erwacht, noch etwas zittrig und verwirrt, aber zutiefst erleichtert darüber, dass es nur ein böser Traum gewesen war und der Tag sich nun wieder hell und klar und ohne Düsternis zeigte. Nun lag es an ihr, alles wieder in Ordnung zu bringen, ihr Tagwerk wieder aufzunehmen.
    Auch ohne Valentins klärende Worte hatte sie längst gespürt, dass Seraphine sie mit ihrer »Hilfsbereitschaft« an den Rand drängen wollte – das musste sie zugeben. Aber sie hatte vor dieser Erkenntnis die Augen verschlossen. Hatte so getan, als ob alles ganz normal wäre. Denn sonst hätte sie handeln müssen, und das traute sie sich nicht zu. Wie sehr sie durch ihr Verhalten auch Helmut gequält hatte, war ihr allerdings erst durch Valentins Worte klar geworden.
    Nun hatte sie keine Zeit zu verlieren.
    Schneller, schneller!, hätte sie Lutz’ Pferden am liebsten zugerufen. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte dem Nachbarn die Peitsche aus der Hand genommen. Lutz selbst hatte die Pferde angetrieben, auch ihm war daran gelegen, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen.
    Doch nun war Helmut nicht da. Und Seraphine fehlte ebenfalls.
    »Die Kartoffeln haben wir dieses Jahr auf den Schinderacker gesetzt«, sagte Valentin unsicher.
    »Der Schinderacker – der liegt doch fast eine Meileaußerhalb des Dorfes?« Eine Meile. Das war zwar ein ordentliches Stück Weg, aber doch nicht so weit, als dass man es mit zwei gesunden Beinen nicht rechtzeitig vor dem schweren Gewitter hätte bewältigen können.
    Valentin nickte. »Und ganz in der Nähe ist unsere Hütte. Wahrscheinlich haben die beiden dort Schutz gesucht.« Seine düstere Miene machte dem Wolkenspiel vor dem Fenster Konkurrenz.
    Hannahs und Valentins Blicke kreuzten sich, und jeder konnte in den Augen des anderen mehr lesen, als ihm lieb war.
    Hannah biss sich auf die Lippen. Bleib ruhig, alles wird gut!, murmelte sie stumm in sich hinein.
    »Ich laufe los und bring den beiden etwas Trockenes zum Anziehen. Suchst du mir etwas für Seraphine heraus? Los, beeil dich!«, setzte sie hinzu, als Valentin ihr nicht sofort die Treppe hinauf folgte.
    Vor seinem Schlafzimmer blieb Valentin stehen. »Soll ich nicht mitgehen? Der Weg ist weit und …«
    Hannah beschloss, die Sorge, die in seinen Worten mitschwang, zu ignorieren. Sie lachte gekünstelt. »Hast du mir vorhin nicht lang und breit erklärt, dass ich mich nicht weiterhin so anstellen soll?«
    »Ja schon, aber …«
    »Ich schaff das schon«, erwiderte sie mit mehr Bestimmtheit, als sie verspürte. Doch es war nicht der lange Weg, der ihr Angst machte, sondern das, was sie am Ende erwarten würde. Die Unruhe, die sie bisher mühsam hatte in Schach halten können, umschwirrte sie nun wie ein lästiger Schwarm Schnaken.
    Was, wenn sie zu spät kam?
    Hannah lief los.
    Der Regen hatte inzwischen nachgelassen. An manchen Stellen dampfte Nebel über dem Boden, als würde unterirdisch aufDutzenden von Hexenkesseln gekocht. Die Blätter an den Bäumen glänzten vor Nässe, und die scharfen Kanten der Häuser wirkten weicher, fast ein wenig unwirklich. Die Luft war erfüllt von sämtlichen Aromen des Frühlings, die durch den Regen noch intensiver in die Nase stiegen. Schon sah man wieder die ersten Gönninger auf den Straßen: Annchen, die mit säuerlichem Gesicht vergessene Wäsche von der Leine holte, den Schmied, der versuchte, sein schmauchendes Feuer wieder in Gang zu bringen, ein paar Samenhändler auf dem Weg ins nächste Wirtshaus, wo sie sicher Geschäfte besprechen und ein Bier trinken wollten. Ein ganz gewöhnlicher, verregneter Maientag.
    Hannah nahm all dies nur aus den Augenwinkeln heraus wahr. Sie rannte wie um ihr Leben. Und sie hatte das Gefühl, dass es genau darum ging.
    Schon von weitem sah sie das tranige Licht einer Ölfunzel durch das schmutzige Fenster des Gartenhäuschens schimmern.
    Valentin hatte also Recht gehabt.
    Wenige Meter vom Gartenhaus entfernt blieb sie stehen, versuchte, zu Atem zu kommen. Ihr Bein schmerzte, aber die Erkenntnis, dass es sie bei ihrer Hatz nicht im Stich gelassen hatte, ließ Hannahs Herz einen Hüpfer machen. Die Haare hingen ihr wirr und nass ins Gesicht, Schweiß rann ihr die Achseln hinab, sammelte sich zwischen ihren Brüsten. Plötzlich war sie unsicher, was sie als Nächstes tun sollte. Einfach so hineinplatzen? Dazu reichte ihr Mut nicht.
    Der matschige Boden verschluckte ihre Schritte,

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