Die Samenhändlerin (German Edition)
vor?«, fragte Valentin trotzdem angesichts Helmuts enthusiastischer Miene.
»Warum reisen wir vier nicht nach Holland und statten Pietvan den Veyen einen Besuch ab? Ich habe keine Lust, dieses Jahr wieder so schlechte Tulpenzwiebeln geliefert zu bekommen wie beim letzten Mal, lieber suche ich mir die Ware selbst aus! Und Hannah würde auf dieser Reise endlich sehen, dass der Handel auch seine schönen Seiten hat. Vielleicht hilft ihr das, auch noch die letzte schlechte Erinnerung an ihre eigene Reise auszulöschen. Du siehst, mit meiner Idee könnten wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, ist das nicht toll?«
Valentin glaubte, nicht richtig zu hören. »Seit Wochen sprichst du kaum ein Wort mit Seraphine. Gehst ihr aus dem Weg, als hätte sie die Pest an sich kleben! Glaub nicht, das wäre mir nicht aufgefallen. Merkst du nicht, wie sie darunter leidet, dass du so gar nichts mehr von ihr wissen willst? Ich weiß zwar nicht, was sie getan hat, um dich so zu verärgern, aber dass jetzt plötzlich wieder eitel Sonnenschein sein soll, finde ich sehr verwunderlich. Noch beim Morgenmahl hast du sie wieder einmal völlig links liegen lassen!«
Helmut winkte ab. »Das bildest du dir nur ein. Wenn ich mit Hannah rede, kann ich eben nicht gleichzeitig auch ein Gespräch mit deiner Frau führen.«
Valentin verzog den Mund. So leicht wollte er sich nicht abspeisen lassen.
Doch Helmut, der an seiner Idee längst Feuer gefangen hatte, fuhr schon fort: »Holland ist nicht aus der Welt, und sowohl Piet als auch seine Tochter – wie hieß sie nochmal? – sprechen leidlich gut Deutsch. Ha, ich sehe schon vor mir, wie Hannah den Mann mit ihren Fragen löchert! Weißt du noch, wie sie in ihrer ersten Zeit in Gönningen immer alles ganz genau hat wissen wollen? Am liebsten würde ich ihr ja schon heute von meinen Plänen erzählen, aber ich warte wohl besser damit, bis ich mit Vater gesprochen habe. Ach, was werden wir für eine schöne Zeit haben!«
Valentin sah in das strahlende Gesicht seines Bruders undspürte, wie seine eigene Unzufriedenheit ihn zu überwältigen drohte. Warum konnte zwischen ihm und Seraphine nicht auch alles wieder in Ordnung sein?
»Du und deine kindischen Ideen!«, erwiderte er. »Wie willst du den Eltern denn die Kosten für diese ›Lustreise‹ schmackhaft machen? Vater wird sofort sagen, wir sollen Piet einen gepfefferten Beschwerdebrief schreiben und ihm drohen, unsere Zwiebeln anderswo zu kaufen. Um ihm ein wenig auf die Finger zu klopfen, müssen wir doch nicht zu viert in Haarlem antanzen!«
»Sag mal, was ist dir denn über die Leber gelaufen? Aber bitte, wenn du keine Lust auf diese Reise hast, dann ziehen Hannah und ich eben allein los! Das mit Vater krieg ich schon irgendwie hin. Er wird einsehen, dass ein persönlicher Besuch bei einem Lieferanten immer noch mehr bewirkt als ein simpler Brief.« Helmut tippte auf den Brief aus Amerika, in dem Valentins ehemaliger Freund seine Kaufabsichten für das Trockenobst bestätigt hatte. Dann wandte er sich wieder seiner Bestellung für Gurkensamen zu.
Eine Zeit lang schwiegen beide.
Am liebsten hätte Valentin alle Gedanken, die mit seiner Ehe zu tun hatten, in einen Sack gestopft und in die hinterste Ecke des Kellers gestellt, dorthin, wo niemand jemals hinkam!
Angestrengt versuchte er, die Angebote der Erfurter Samenzüchter, die vor ihm lagen, miteinander zu vergleichen. Doch statt der Zahlen sah er nur das Bild seiner schönen Frau. Wie sie sich morgens mürrisch vor dem Spiegel zurechtmachte, als sei jeder Tag eine Last für sie!
»Freust du dich denn nicht, dass es Hannah endlich wieder gut geht?«, hatte er erst gestern beim Schlafengehen von ihr wissen wollen, nachdem sie den ganzen Abend nichts anderes getan hatte, als allen am Tisch feindselige Blicke zuzuwerfen. Daraufhin hatte sie sich abrupt auf die andere Seite gedrehtund ihr Kopfkissen so hart bearbeitet, als gelte es, einen Gegner in einem Ringkampf zu bezwingen.
»Das wird nicht von Dauer sein«, nuschelte sie schließlich unter der Decke hervor. »Hannah ist nicht die Richtige für Helmut, sie wird ihn nur unglücklich machen.«
Er hatte nicht gewusst, was er darauf antworten sollte. Hätte er fragen sollen: Und was ist mit dir? Weißt du nicht, dass du mich unglücklich machst? Doch bei solchen Worten wäre er sich kindisch vorgekommen.
Er seufzte so lange und tief, dass Helmut von seiner Bestellung aufschaute. Hastig tat Valentin so, als grüble er über seinem
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