Die Samenhändlerin (German Edition)
gönnen. Sie holte ihr kleines Necessaire aus der Rocktasche und begann, ihre Nägel zu schneiden.
Margarita wusste, dass sich ihr Vater von seinen Kameraden ihretwegen viel Spott anhören musste. Dass sie eine alte Jungfer sei, war bestimmt noch die harmloseste Umschreibung einer unverheirateten Frau im Alter von 28 Jahren. Dazu die Sommersprossen, die roten Haare …
Dabei war es nicht so, dass sich niemand für sie interessierte, ganz im Gegenteil, es hatte schon den einen oder anderen Freier gegeben. Immerhin war sie das, was man landläufig eine gute Partie nannte. Aber Margarita war wählerisch, in diesem Punkt hatte Piet van den Veyen Recht!
In der letzten Zeit hatte Jan, der gut aussehende Sohn eines Nachbarn, ihr den Hof gemacht. Nachdem er sie drei Mal zu einem Spaziergang abgeholt hatte, war er eines Tages unangemeldet an der Tür erschienen. Als sie nicht sofort alles stehen und liegen ließ, um an seinem Arm durch die Dünen zu laufen, war er richtig ärgerlich geworden. Was nutzte ihr seine stattliche Erscheinung, wenn er derart besitzergreifend war? Sie war doch kein Hund, der sprang, wenn das Herrchen pfiff! Darüber hatte sie auch Jan aufgeklärt, und seitdem hatte er sich nicht mehr blicken lassen.
»Ein Mann muss freundlich zu mir sein, herumkommandieren lasse ich mich von niemandem, höchstens von dir«,hatte sie zu ihrem Vater gesagt. »Langweilig darf er auch keinesfalls sein. Und Humor muss er haben! Dass ich mit ihm lachen kann, ist, glaube ich, das Wichtigste.«
»Bei deinen Ansprüchen wird jedem Burschen das Lachen bald vergehen«, war seine trockene Antwort gewesen.
Ach Papa … vielleicht wirst du mich wirklich nicht mehr los. Als habe sich eine Wolke vor ihr Gesicht geschoben, verdüsterte sich ihre Miene.
Nun war einer dahergekommen, der ihr gefallen könnte – endlich einer, nach so vielen Jahren! Und dann war er verheiratet, zu Tode betrübt und auf der Flucht nach Amerika. Was hatte sie nur für ein Glück! Bekümmert schaute sie auf ihre kurzen, abgerundeten Nägel.
Im Haus herrschte weiterhin Grabesstille. Kein Töpfeklappern, kein Stühlerücken, kein Teppichklopfen. Ha, wenn sich Antje einbildete, sie, Margarita, würde ihr die Arbeit abnehmen, hatte sie sich getäuscht.
Stattdessen stand Margarita kurz entschlossen auf und marschierte in Richtung Pferdestall. Tu’s nicht, lass es bleiben, lass ihn in Ruhe und dir deinen Seelenfrieden , beschwor eine Stimme im Ohr sie bei jedem Schritt. Doch sie öffnete das große Tor mit einem Quietschen. Aber sag später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!
Margarita lächelte.
Im Stall war es dunkel und kühl. Der Schwarze war im Gang angebunden und machte einen langen Hals, während Valentin ihn mit weit ausholenden Handbewegungen bürstete.
»Sie scheinen Ihr Handwerk zu verstehen!« Lächelnd nickte Margarita in Richtung des Pferdes, dessen Unterlippe entspannt nach unten hing.
»Früher habe ich mir immer ein Pferd gewünscht«, erwiderte Valentin, ohne vom Striegeln aufzuschauen. »Jahrelang hab ichauf Vater eingeredet, doch leider vergeblich. Dabei wäre für uns Samenhändler solch ein Vieh doch wirklich von Nutzen gewesen! Aber Vater sagte immer nur, uns würden auch Schusters Rappen genügen.«
»Schusters Rappen?«
Nun schaute Valentin auf. Er hob seinen rechten Fuß und ließ ihn in der Luft kreisen. »Schusters Rappen, verstehen Sie?«
Kichernd nickte Margarita. Ein Mann, mit dem ich lachen kann. Selbst wenn er so traurig ist wie dieser hier …
»Tja, wenn Helmut diesen Wunsch geäußert hätte! Der hätte bestimmt sein Pferd bekommen. Helmut hat ja immer bekommen, was er wollte. Ohne dass er sich dafür anstrengen musste.« Die Bürste sank nach unten. Den Stoß, mit dem ihn das Pferd scheinbar auffordern wollte weiterzumachen, schien Valentin gar nicht wahrzunehmen. Sein Blick verlor sich irgendwo zwischen den Heugabeln und der Sattelkammer.
Margarita schwieg und wartete.
Wenn er das Bedürfnis hatte, sich ihr mitzuteilen, gut. Wenn nicht, würde sie ihn nicht drängen. Sie wusste nicht, wen sie damit schützen wollte: sich selbst vor Dingen, von denen sie nichts wissen wollte? Oder ihn?
In den letzten Tagen hatte ihr Gast mehr als einmal angehoben, sich seine Sorgen von der Seele zu reden, doch jedes Mal hatte er sich anders besonnen.
Sie war auch jetzt auf eine beiläufige, bittere Bemerkung gefasst, mit der er das Thema beenden würde.
Doch sie war nicht darauf gefasst, dass der Mann vor ihren
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