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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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mehr als eine Wahrheit«, sagte sie trotzig, und ein Blick in ihre Augen ließ ihn fast schwach werden. Wie gern hätte er ihr geglaubt!
    Stattdessen sagte er: »Vielleicht muss ich gehen, um das zu erkennen. Vielleicht muss ich gehen, um zurückkommen zu können!«
    »Fragt sich nur, zu wem«, antwortete Margarita dumpf. »Ich glaube, tief in deinem Innersten liebst du sie noch immer.«
    »Wie kannst du so etwas sagen!«, stieß er laut hervor und musste sofort wieder husten.
    Eine missbilligende Grimasse ziehend, klopfte sie ihm auf den Rücken, dann warf sie sich ihren Kittel über. »Wenn ich dir jetzt nicht bald eine heiße Milch mit Honig mache, wird es mit deiner Reise nichts werden!«, sagte sie leichthin.
    Bevor sie aus der Tür huschen konnte, hielt er sie noch einmal am Ärmel fest. »Danke.«
    Ihre Augen waren groß und ernst. »Ich werde auf dich warten. Ich werde da sein, wenn du zurückkommst. Falls du zurückkommst …«

56
    Zwei Tage nachdem Helmut morgens in Seraphines Zimmer gewesen war, brachen er und Hannah nach Böhmen auf. Es war erst die dritte Septemberwoche, die Arbeit auf dem Feld war längst noch nicht abgeschlossen, auch in Küche und Keller gab es noch etliche Vorbereitungen für den Winter zu treffen. Doch Helmut ließ sich nicht beirren. Der Rest der Familie musste nun eben mit allem allein fertig werden.
    »Jetzt verstehe ich, warum Valentin so Hals über Kopf davongelaufen ist«, hatte er zu Hannah gesagt. »Ich halte es auch keine Minute länger unter einem Dach mit dieser Hexe aus!« Kurz darauf hatte er noch einen weiteren Grund für die zeitige Abreise genannt. »Je früher wir losziehen, desto früher sind wir auch wieder zu Hause.« Dabei warf er einen bedeutungsvollen Blick auf Hannahs Bauch.
    Sie konnte sich seinen Argumenten nicht entziehen. Aber der so plötzliche Abschied von Flora, die Reisevorbereitungen, die nun in aller Eile getroffen werden mussten, machten ihr zu schaffen. Und nicht nur das.
    Ungläubig hatte sie an jenem Morgen Helmuts Bericht gelauscht. Hatte nicht glauben wollen, was er erzählte. Hatte immer wieder nachgehakt. Konnte es nicht sein, dass er etwas falsch verstanden hatte? Dass Seraphine sich missverständlich ausgedrückt hatte? Im Eifer des Gefechts, verwirrt von der List, mit der er sie geködert hatte? Er winkte nur ab.
    Auch dass Helmut die Schwägerin auf diese Art und Weise zum Sprechen gebracht hatte, wollte Hannah anfangs nicht glauben. Musste er, um endlich die Wahrheit zu erfahren, es wirklich Seraphine gleichtun? Dies bewies Hannah nur aufs Neue, wie sehr er am Fortgang seines Bruders litt.
    Als ihr endlich das Ausmaß von Seraphines Wirken bewusst geworden war, hatte es kein Halten mehr gegeben. »Die knöpfich mir vor!«, rief sie und war schon aufgesprungen, als Helmut sie von hinten packte.
    »Gar nichts tust du! Glaubst du, ich hätte ihr vorhin nicht liebend gern selbst den Hals umgedreht?«
    Prügel, Geschrei und Gezeter würden nur die Eltern auf den Plan rufen, fuhr er fort, und das wolle er nicht, denn er habe beschlossen, vor ihnen Stillschweigen zu bewahren.
    »Soll deine Mutter doch wissen, was für eine Natter sie an ihrer Brust nährt!«, schrie Hannah und dachte an all die Male, wo Wilhelmine ihr zu verstehen gegeben hatte, dass sie halt doch nur eine »Reing’schmeckte« war. Wohingegen Seraphine …
    Die Wut hatte sie erschöpft. Und dann waren die Tränen gekommen. Sie hatte geweint wegen des Kindes, das nicht leben durfte, weil es den »falschen« Vater hatte. Wegen Valentin, der mit solcher Inbrunst geliebt hatte und den Seraphine mit derselben Inbrunst herzlos von sich stieß.
    Sie weinte um sich und um Helmut, um ihre Blindheit, die sie beide hatte zu Opfern werden lassen.
    Letztlich weinte Hannah auch um Seraphine. Wie qualvoll musste das Leben sein, das die andere führte! Eigentlich war es gar kein Leben, sondern ein Ringen mit etwas, von dem sie besessen war. War Seraphine etwa krank? Gar wahnsinnig?
    Hannah fiel der Ratten-Martl ein, ein alter Mann aus dem Nürnberger Viertel, in dem sie aufgewachsen war. Er hatte sich eingebildet, der Rattenfänger von Hameln zu sein. Wann immer er durch die engen Gassen lief, wandte er sich zu seiner imaginären Schar Ratten um, pfiff nach einer, die den Anschluss verpasst hatte, nahm eine andere, die nicht mehr laufen konnte, auf den Arm. Gruselig war das gewesen. Die Leute hatten sich stets an den Kopf getippt, wenn Ratten-Martl vorbeikam.
    Der Vergleich hinkte, das

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