Die Samenhändlerin (German Edition)
wie du Helmut noch immer anhimmelst? Du machst dich geradezu lächerlich mit deinem Getue. Und mich gleich dazu! Er hat sich für Hannah entschieden. Und wenn du mich fragst, hat er einen verdammt guten Fang mit ihr gemacht!«
»Wie kannst du das sagen, du … Unhold! Davon hast du doch keine Ahnung«, schrie Seraphine und erschrak über sich selbst. Es kam nur selten vor, dass sie laut wurde. Aber nun entwickelte sie Löwenkräfte – für Helmut.
Valentins Gesicht war kreideweiß, seine Lippen bebten. »Ja, das willst du nicht hören! Aber Helmut ist glücklich, so glücklich wie noch nie in seinem Leben. Und jeder, der zwei Augenim Kopf hat, merkt das. Außer dir natürlich. Und weißt du auch, warum das so ist?«
Valentins Geschrei hatte die Eidechsen wohl verjagt. Sie waren in einem winzigen Spalt in der Mauer verschwunden. Auf diesen Spalt starrte Seraphine krampfhaft. Sie wollte die Stille zurück. Die Stille der Mauer, die Stille der Apfelblüten und des kleinen Rosenbuschs.
»Du hast Helmut in einen Schrein gestellt und betest ihn dort an wie einen Heiligen. Dabei erkennst du gar nicht, dass er alles andere als anbetungswürdig ist. Er ist ein normaler Mann, keinen Deut besser als ich oder der Nächstbeste, der auf der Straße vorüberläuft! Aber du, du kannst die Wahrheit nicht mehr erkennen!«
Die Wahrheit, die Wahrheit, die …
Voller Konzentration vermischte Seraphine einen Tropfen Wasser mit brauner Farbe. Nur noch ein paar Äderchen, dann war der Stängel fertig, und sie konnte mit der nächsten Blume beginnen.
»Du bist eine ganz Scheinheilige!«
Sie musste ihm nicht antworten. Sie musste ihm nicht einmal zuhören, wenn sie ihre Ohren nur fest genug schloss …
Halb kniete, halb hockte Hannah am Beetrand. Immer wieder hielt sie in ihrer Arbeit inne, um sich den Rücken zu reiben. Seit den frühen Morgenstunden spürte sie ein Ziehen, manchmal auch ein Stechen im Bauch. Ob die Arbeit zu anstrengend war? Hätte sie doch lieber zu Hause bleiben sollen? Doch Emma hatte für sie ausgerechnet, dass das Kind frühestens in vier Wochen kommen würde. Und auf Emma war in solchen Fragen Verlass, hatte Käthe ihr versichert.
Vorsichtig ließ sich Hannah auf beide Knie hinab. Aah, das war besser! Tief durchatmend, bohrte sie mit dem Zeigefinger weitere Mulden in den Boden. Helmut hatte ihr eine kleineSchaufel und ein Holzstäbchen gegeben, mit dem sie Löcher graben sollte, um dann die vorgezogenen Pflänzchen hineinzusetzen. Doch sie nahm lieber ihre Hände als Werkzeug. Wenn nur nicht ständig ihr Bauch im Weg wäre!
Gedankenverloren ließ sie die Erde durch ihre Finger rieseln. So ein kleines Stück Land für solch eine große Familie wie die Kerners!
»Wo liegt denn euer Acker nun?«, hatte sie von Helmut wissen wollen, kaum dass sie den Ortsrand erreichten. Seinen verständnislosen Blick nahm sie zwar zur Kenntnis, dachte sich aber nichts weiter dabei. Dann waren sie auf schmalen Feldwegen zwischen allen möglichen Parzellen hindurchbalanciert. Auf jedem Flecken Erde waren Gönninger mit der Feldarbeit beschäftigt, mit fast jedem hatten die Brüder ein paar Worte gewechselt. Schließlich war Helmut auf einem Stück umgepflügten Bodens zwischen zwei Baumwiesen stehen geblieben und hatte gesagt, hier könne sie ihr »Versuchsfeld« anlegen.
Mit einem skeptischen Blick maß Hannah das Feld ab. »Und wo kommen die Kartoffeln in den Boden?«, wollte sie wissen.
»Der Kartoffelacker liegt ein ganzes Stück weiter, in der Nähe von unseren Baumwiesen. Wenn du etwas brauchst, musst du nur laut schreien, ich komme dann sofort.« Kurz darauf waren die beiden Brüder in Richtung Rossberg verschwunden.
Hannah seufzte. Mit ihrer Fragerei hatte sie sich vorhin wieder einmal gründlich blamiert.
Wie wenig sie erst von Gönningen wusste! Es war nicht so, dass jede Familie ein großes Stück Erde zu bearbeiten hatte. Jedem gehörte hier ein Flecken, da eine Wiese, weiter hinten im Tal vielleicht noch einmal ein kleiner Acker. Manches Feld lag die meiste Zeit im Schatten der Schwäbischen Alb, an einem steilen Hang, eingepfercht zwischen zwei Weinbergen … Nichts Zusammenhängendes, alles weit auseinander, so dass Harken,Schaufeln und Saatgut weite Wege getragen werden mussten. Für Hannah aus dem großstädtischen Nürnberg war dies eine Enttäuschung gewesen. An die mühsame Ernte auf den kleinen Flecken mochte sie nicht einmal denken. So hatte sie sich das Landleben nicht vorgestellt!
Die
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