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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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was wolltest du eigentlich? Valentin ist nicht hier, er –«
    »Ich weiß«, unterbrach Seraphine ihn. Sie strich ihm ein paar Haarsträhnen aus den Augen. Er sah erhitzt aus, ein wenig gereizt, als habe sie ihn bei einer wichtigen Arbeit gestört. Unauffällig linste sie auf die Unterlagen, die über den ganzen Schreibtisch verteilt lagen. Wenn er wirklich so beschäftigt war, war dies vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt, um ihm das Geschenk zu übergeben. Oder gerade doch? Sie legte das Paket unauffällig unter dem Tisch auf ihren Schoß.
    Helmut runzelte die Stirn. »Hannah ist auch nicht da. Sie ist mit ihrer Mutter und Flora an der Wiesaz …«
    Von mir aus kann sie in des Teufels Hölle sein, lag es Seraphine auf der Zunge. Stattdessen sagte sie: »Ein Wunder, dass sich die beiden endlich einmal ein wenig Ruhe gönnen. Deine Mutter haben sie auch schon ganz nervös gemacht mit ihrer hektischen Betriebsamkeit …«
    »Na, höre ich da etwa einen Vorwurf heraus?« Neckisch knuffte Helmut Seraphine in die Seite. Er hatte den Stift aus der Hand gelegt und schien es nun nicht mehr eilig zu haben, zu seiner Arbeit zurückzukommen. Seraphine ärgerte sich, nicht daran gedacht zu haben, ein Glas Wein mitzubringen. Eine Erfrischung hätte ihm gewiss gut getan.
    »Meine werte Schwiegermutter ist nun einmal eine sehr fleißige Frau. Sie ist es nicht gewöhnt, bedient zu werden, das habe ich meiner Mutter auch schon erklärt. Sophia meint es nur gut, wenn sie jedem zur Hand gehen will. Dabei sollte sie ruhig öfter einmal die Füße hochlegen. In Nürnberg kommt sie bestimmt nicht dazu.« Er lächelte. »Und wir dachten immer,unsere schwäbischen Mädle hätten das Schaffen erfunden … Also, ich finde, Sophia ist eine angenehme Frau, oder?«
    Seraphine zuckte mit den Schultern. In ihren Augen war Sophia Brettschneider äußerst gewöhnlich: hemdsärmelig, mit demselben ordinären Lachen wie ihre Tochter, nur an einfältigen Alltagsdingen interessiert.
    Schweigen breitete sich aus, während Seraphine krampfhaft darüber nachdachte, wie sie das Gespräch auf ihr Geschenk bringen konnte. Helmut bedachte sie mit einem abwesenden Lächeln, dann nahm er seinen Stift wieder auf und begann, Zahlen in eine Liste einzutragen.
    Seraphine verzog den Mund. Warum war sie in Helmuts Gegenwart nur immer so befangen? Warum hatte sie ihm so wenig zu sagen? Natürlich, sie verstanden sich auch ohne Worte. Ja, eigentlich war es ein intimes Schweigen, das sie einte. Aber warum konnte sie ihn nicht geradeheraus fragen, wie er sich fühlte? Ob er glücklich war, sie inmitten all der widrigen Umstände an seiner Seite zu wissen? Warum fragte er sie diese Dinge nicht?
    An manchen Tagen hätte Seraphine vor Wut, Ärger und Enttäuschung laut schreien mögen. Hätte den Nächstbesten ohrfeigen, Dinge zerstören können – Teller an die Wand schmeißen vielleicht oder Kleidungsstücke zerreißen, bis mit jedem Fetzen auch die Wut kleiner wurde. Natürlich tat sie das nicht. Weder Helmut noch ihr wäre damit geholfen gewesen, keiner von beiden hatte sich dieses Leben ausgesucht. So lächelte sie, war die Sanftmut in Person, erhob im Gegensatz zu der auffahrenden Hannah nie die Stimme, machte gute Miene zu bösem Spiel, bis ihre Gesichtsmuskeln einzufrieren drohten. All dies war so erschöpfend, dass sie manchmal vor lauter Müdigkeit kaum eine Hand heben konnte. Sie kam sich vor wie ein Tier, das in einen viel zu kleinen Käfig gesteckt worden war, aber eigentlich viel Auslauf brauchte.
    Lediglich in der Abgeschiedenheit ihres Zimmers, wenn Valentin und sie allein waren und die Nacht ihr einziger Zeuge, ließ sie ihren Gefühlen freien Lauf. Hier konnte sie all die Dinge tun, die sie sich tagsüber versagen musste: sich ihrem inneren Aufruhr hingeben, schreien, stöhnen und schluchzen. Sie nannte es nicht Liebe. Sie hatte kein Wort dafür. Sie wusste nur, dass sie ohne diese Stunden der körperlichen Verausgabung – geboren aus tiefstem Schmerz, aus Wut und grenzenloser Verzweiflung – nicht hätte überleben können.
    Valentin – er verstand nichts. Ganz im Gegenteil: Er verstand alles falsch. Er glaubte tatsächlich, sie würde ihm leidenschaftlich ihre Liebe schenken. Manchmal, wenn sie tagsüber allein waren – was Gott sei Dank nicht allzu oft vorkam –, druckste er herum, versuchte Worte zu finden für das, was nachts geschah. Doch Seraphine wollte davon nichts hören.
    »Was … warum bist du eigentlich hier?«
    Seraphine

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