Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
Hiroshi. Er schnappte nicht nach Luft. Spätestens jetzt hätte ich bemerkt, dass er kein Mensch war. Wahrscheinlich hätte er auch auf dem Grund des Sees herumlaufen können, ohne zu ertrinken.
»Schwimmen wir zum Ufer«, sagte er und zog dann an mir vorbei. Mein Körper rebellierte noch immer, doch da ich fürchtete, der nächste Kopf, der neben mir auftauchte, würde der des Drachenkönigs sein, schwamm ich Hiroshi hinterher, so gut es mit meiner Last eben ging.
Keuchend erreichte ich schließlich das Seeufer und kniete mich auf die kantigen Steine. Dass sie in meine Knie stachen, ignorierte ich. Eine Weile verharrte ich auf allen vieren, unfähig, etwas anderes zu tun als zu atmen. Nachdem ich ein wenig ruhiger geworden war, erhob ich mich und setzte mich zurück ins Schilf. Mein Blick glitt über die Wasseroberfläche. Aber das Einzige, was ich sah, waren die leichten Wellen, die mein Auftauchen geschlagen hatte.
Hiroshi trat neben mich. »Es tut mir leid, dass es beinahe schiefgegangen wäre.«
Hörte ich richtig? Enmas Diener entschuldigte sich bei mir?
»Wir sind noch am Leben«, entgegnete ich. »Etwas anderes zählt nicht.«
Hiroshi nickte. »Und wir haben den Spiegel.«
»Wenn es denn der Richtige ist«, entgegnete ich. Der Gedanke, noch einmal in Ryujins Palast zurückkehren zu müssen, erregte großen Widerwillen in mir. Hoffentlich hatte ich wirklich die richtige Wahl getroffen. »Gibt es keine Möglichkeit, Amaterasu noch einmal zu fragen, ob es der Spiegel ist, mit dem man sie aus der Höhle lockte?«
»Amaterasu erscheint, wann sie es möchte. Und in dem Fall werde ich es spüren. Aber ich bin sicher, dass du die richtige Wahl getroffen hast.«
Als ich das nasse Tuch vom Spiegel der Sonnengöttin schlug, purzelten mir zwei Korallenäste entgegen.
»Sieh an, der Drachenkönig hat dir ein Andenken mitgegeben«, sagte Hiroshi, als er die Äste sah. »Ich könnte mir vorstellen, dass sie eine wunderbare Helmzier abgeben würden.«
Für welchen Helm?, fragte ich mich, doch dann kam mir Yoshinaka in den Sinn. Sein Helm hatte noch keinen Schmuck getragen, und diese feinen Korallenstücke waren wirklich eines Fürsten würdig. Vielleicht erhielt ich eines Tages die Möglichkeit, sie ihm zu schenken.
»Was hast du eigentlich mit dem Drachenkönig angestellt, dass er seine Meinung, uns fressen zu müssen, so schnell aufgegeben hat?«
Hiroshi lächelte finster. »Ich habe ihm den Blick in ein Reich gezeigt, das ihm normalerweise verwehrt ist.«
Konnten Götter nicht überallhin gehen und alles sehen?
»Welches Reich soll das sein?«
»Das Reich der Toten«, antwortete er wie beiläufig. »In dieses kommt ein Gott nicht, denn er kann ja nicht sterben. Da unten gibt es nur die Toten, König Enma und uns, seine Diener. Einen Gott bekommt man nicht zu Gesicht. Wenn die Götter etwas von uns wollen, rufen sie uns zu sich, aber sie stecken den Kopf nie durch unsere Tür.«
Ich wollte lieber nicht fragen, was es im Reich des Todes so Schreckliches zu sehen gab, dass selbst der Drachenkönig entsetzt war. Doch dann wagte ich es.
»Das Reich der Toten, Tomoe-chan, ist das furchtbarste und finsterste, das es gibt. Die alten Götter, die nicht aus der Seele eines Ahnen geboren wurden, kennen es nicht, sie haben nie den Schmerz gespürt, nie die Finsternis gesehen. Es gilt ihnen als unrein. Wahrscheinlich wird Ryujin vor lauter Scham, dass er es gesehen hat, für Monate, wenn nicht für Jahre schlafen. Ganz einfach, damit er die Unreinheit vergessen kann, der er ausgesetzt war.«
»Dann gab es wohl auch einen Grund dafür, dass du zum Abgesandten der Götter gemacht wurdest. Wenn deine Berührung das Einzige ist, was gegen den Drachenkönig und andere göttliche Wesen hilft.«
»Vielleicht ist es so. Vielleicht gibt es auch einen anderen Grund. Wir sollten zu unseren Pferden zurückkehren und zurückreiten.«
Ich nickte und schlug den Spiegel wieder in das Tuch ein. Die beiden Korallenstücke verstaute ich sorgfältig dazwischen. Wenn wir zurück im Kloster waren, würde ich sie verstecken, bis ich Yoshinaka wiedersah.
»Ihr habt wirklich sehr viel Zeit gebraucht«, schalt uns eine feine Mädchenstimme plötzlich. Die Kitsune trat als Fuchs aus dem Schilf und verwandelte sich in die Gestalt der jungen Frau. »Fast glaubte ich schon, der Drachenkönig hätte euch verschlungen.«
»Du hast dir Sorgen um uns gemacht?«
»Sorgen um dich!«, sagte die Fuchsfrau und lächelte mir zu. »Um den da brauche
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