Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
nach der Teeschale, die ich vor ihn hingestellt hatte. Erst jetzt sah ich, dass seine Hand zitterte.
»Was für ein Unheil?«, fragte Hiroshi, und ich erkannte seine allmähliche Ungeduld. Ich warf ihm einen Blick zu, den er offenbar auch spürte, denn er atmete tief durch und mäßigte sich wieder.
Satoshi nahm einen Schluck, dann schloss er die Augen, als könnte er die Erinnerungen besser zutage fördern. Als er die Augen wieder öffnete, standen erneut Tränen darin.
»Iwasama war der Meinung, dass ihr nicht zurückkehren würdet. Also hat er uns dazu überredet, ins Dorf der Schattenkrieger zu gehen und zu versuchen, Takeshi zu befreien.«
Hiroshi schloss die Augen. Tat er das, weil er von der Dummheit des stellvertretenden Abtes so entsetzt war oder weil er seine vor Wut gänzlich schwarz werdenden Augen verbergen wollte?
»Wieso war Iwasama der Meinung, dass wir nicht zurückkehren würden?«, fragte er dann erbost. »Es dauerte eine Weile, das Lösegeld aufzutreiben. Die Schattenkrieger hatten uns keine Frist gesetzt.«
»Mit jedem Tag, an dem ihr fort wart, wurde Iwasamas Gemüt finsterer. Er fing an, sich Sachen einzubilden. Jedenfalls weiß ich heute, dass es so gewesen sein muss. Er brütete tagelang für sich, redete kaum, und wenn, dann nur davon, dass wir Takeshi nicht im Stich lassen dürften. Schließlich rief er uns eines Tages zusammen. Er sagte, dass er der Meinung sei, dass du und Tomoe nicht zurückkehren würdet. Die meisten Brüder glaubten, er hätte eine Vision gehabt. Deshalb sind sie ihm auch so bereitwillig gefolgt.«
Das konnte ich mir kaum vorstellen bei den Brüdern, die es eigentlich gewohnt waren nachzudenken, bevor sie handelten. Hatte jemand sie mit einem bösen Zauber belegt?
»Und was dachtest du?«, fragte ich. Es konnte doch nicht sein, dass unser Koch, der so gut über die Geschichte des Klosters Bescheid wusste, blindlings einem Mann gefolgt war, der von einer Vision geleitet wurde. Oder besser gesagt, von einem Hirngespinst.
»Ich war sicher, dass ihr zurückkommen würdet. Ich kenne Hiroshi. Und ein wenig glaube ich auch dich zu kennen. Aber ich konnte meine Brüder doch nicht im Stich lassen! Wir sind im Morgengrauen ausgeritten. Bis zur Dorfgrenze sind wir gekommen, nicht weiter. Zwanzig Brüder wurden getötet und etliche schwer verletzt, als sie von ihren vergifteten Pferden stürzten. Ich hatte bei meinem Sturz Glück, dass ich mir nur den Kopf angeschlagen habe. Andere brachen sich Arme und Beine und konnten nur mit Mühe und Not gerettet werden.«
Als er geendet hatte, schien ein großer Stein auf meinem Bauch zu liegen.
»Wo ist Iwasama jetzt?« Ich konnte Hiroshis Stimme deutlich anhören, dass er Lust hatte, den stellvertretenden Abt für seine Dummheit zu bestrafen.
Satoshi senkte den Kopf. »Tot. Er war einer der Ersten, die unter dem Pfeilhagel der Schattenkrieger gefallen sind. Wir hatten uns auf einen ehrenhaften Kampf eingestellt, doch sie hatten kein Interesse daran.«
Hiroshi schnaubte. »Was ist bloß über euch gekommen?«, brach dann sein Zorn hervor. »Seit wann glaubt ihr denn, dass die Schattenkrieger einen ehrenhaften Kampf führen würden?«
Sein wütender Blick traf mich. Doch diesmal wusste ich, dass nicht ich der Grund war. Allerdings fragte ich mich, ob wir etwa den Angriff in der Hütte Iwasamas Dummheit zu verdanken hatten.
Hiroshi schien von mir irgendetwas zu erwarten, aber was sollte ich dazu sagen? Er hatte vollkommen recht, es war überaus dumm gewesen, gegen die Schattenkrieger zu ziehen. Doch wer war ich, um Satoshi zu maßregeln?
»Iwasama war so überzeugend. Und wahrscheinlich hatten die meisten unserer Brüder von Anfang an den Drang, Takeshi zu befreien und sich nicht auf die Forderungen der Schattenkrieger einzulassen.«
Ich erinnerte mich noch gut an den Ausruf des einen Mönches, dass Takeshi sicher lieber sterben würde, als dass das Kloster erpresst wurde.
»Habt ihr denn etwas von Takeshi gehört?«, fragte ich, während Satoshi beschämt das Haupt senkte.
»Nein, nichts. Auch nach dem Angriff nicht.«
»Dann kann es also sein, dass die Bedingungen nach wie vor gelten«, schlussfolgerte Hiroshi daraus. »Immerhin das.«
»Wie kannst du da so sicher sein, Sensei?«, fragte ich und ertappte mich dabei, dass ich ihn zum ersten Mal seit Langem wieder so ansprach.
»Die Schattenkrieger hätten neue Bedingungen geschickt. Sie wissen, dass nie alle Mönche gleichzeitig ausrücken. Sobald sie sich wieder
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