Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
sich zu Tode stürzen?
Die anderen Pferde stoben ängstlich zur Seite und blickten uns nach, als könnten sie nicht glauben, dass ihr Bruder die Absicht hatte, über die Felskante zu springen.
Vor lauter Angst schrie ich auf, doch das nützte mir wenig, denn Akihiko rannte weiter. Als ich meinen Kopf an seinen Hals presste, spürte ich das Pulsen seiner Schlagader. Er hatte Angst. Genauso große Angst wie ich! Dabei waren wir beide doch auf derselben Seite. Spürte er das nicht?
»Hab keine Angst!«, meinte ich Hiroshis Stimme hinter mir rufen zu hören. »Wenn du keine Angst hast, wird auch er sich beruhigen!«
Das erschien mir angesichts der Geschwindigkeit, mit der er sich bewegte, leicht gesagt. Doch dann begriff ich plötzlich, dass er recht hatte. Akihiko und ich hatten so lange daran gearbeitet, Vertrauen zueinander zu gewinnen – warum sollte uns das nicht auch jetzt gelingen?
Ich lockerte ein wenig meinen Griff und versuchte, meinen Körper im Einklang mit seinem zu bewegen. Zunächst hatte ich das Gefühl, jeden Augenblick zu fallen, aber dann wurde er ruhiger. Dem Abgrund näherte er sich immer noch, doch jetzt wandte er sich unverhofft zur Seite. Sein Schritt verlangsamte sich. Schließlich galoppierten wir über die Weide, als müsste es so sein, aber mein Herz raste, und meine zitternden Hände waren noch immer nicht in der Lage, nach den Zügeln zu fassen. Wahrscheinlich konnte ich mir nachher etwas von Hiroshi anhören.
Und wie sollte ich das Pferd zum Stehen bringen? Die Zügel, ja, die Zügel waren der Schlüssel zu allem. Aber wie sie erreichen, wenn Akihiko weiterhin so rannte?
Wir umrundeten die Weide noch zweimal und scheuchten dabei die anderen Pferde, die dem Treiben neugierig zusahen, von einer Seite zur anderen und wieder zurück. Schließlich wurde mir schwindelig, ich wollte nur noch herunter von dem Pferd! Mochten andere Krieger und Mönche elegant auf ihren Vierbeinern sitzen, ich war eben nur eine Bauerntochter, die nie auf etwas anderem gesessen hatte als auf dem breiten Rücken eines Wasserbüffels.
»Bleib stehen, Akihiko«, bat ich ihn nun, denn etwas anderes fiel mir nicht ein. »Bitte, bleib stehen!«
Wieder versuchte ich, an die Zügel zu kommen. Das gelang mir schließlich auch, doch dann stoppte das Tier so abrupt, dass ein harter Ruck durch meinen Körper ging. Ich verlor das Gleichgewicht und nur einen Atemzug später krachte ich auf den Boden. Als die Luft aus meinen Lungen gepresst wurde, begannen Sternchen vor meinen Augen zu tanzen. Ich stöhnte auf und war sicher, dass ich mir das Rückgrat gebrochen hatte. Akihiko sprengte noch ein Stück weiter weg von mir, blieb stehen, blickte sich um und steckte dann die Nase ins Gras. Als wäre nichts gewesen.
Hiroshi kam herbeigelaufen. »Alles in Ordnung mit dir?«
Sah er denn nicht, dass nichts in Ordnung war? Über mir erschien seine behandschuhte Hand. Merkwürdig, aber gerade jetzt fiel mir auf, dass er seine Handschuhe nie auszog, wenn er mit mir zu tun hatte. Noch nie hatte ich seine nackte Hand berührt.
Er packte mein Gewand und zog mich in die Höhe.
Meine Lungen füllten sich wieder mit Luft, dafür begann mein Rücken vor Schmerzen zu stechen und zu pochen.
»Stell dich wieder auf die Beine!«, fuhr Hiroshi mich an. »Anscheinend habe ich mich in dir getäuscht. Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der schlechter mit einem Pferd umgeht.«
»Ich habe zuvor noch nie auf einem Pferd gesessen, das sagte ich doch schon!«, entgegnete ich wütend, was alles andere als geziemend war gegenüber meinem Lehrmeister, aber wie sonst sollte ich mich gegen die Vorwürfe wehren?
»Das sagtest du, aber das hat sich nun geändert. Du solltest es zunächst mit einem anderen Pferd versuchen, doch du wirst nicht umhinkommen, täglich mit Akihiko zu üben, ist das klar?«
Ich nickte und senkte dann beschämt den Kopf. »Verzeiht, Sensei, ich wollte nicht unhöflich sein.«
»Du musst daran arbeiten, deine Angst unter Kontrolle zu bekommen. Pferde sind sehr sensibel, sie spüren, wenn sich ihr Reiter fürchtet. Wenn du auf Akihiko in die Schlacht reiten willst, darfst du keine Angst zeigen, sonst wird er sich genauso verhalten wie jetzt.«
Ich war den Tränen nahe. Woher hätte ich das alles wissen sollen? Stets hatte er mich nur hergeschickt, damit ich Akihiko mit Salz bestach und er sich an mich gewöhnte.
Doch ich wollte mich nicht verspotten lassen.
Hiroshi betrachtete mich lange, dann deutete er auf den
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