Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
abzuwehren, musste man schnell sein und wiederum dem Gehör mehr trauen als seinen Augen.
»Stich einfach in den Schatten, versuche, dem Angreifer die Kehle aufzuschlitzen«, riet mir Hiroshi gleich in unserer ersten Übungsstunde und setzte hinzu: »Auch Ninjas sind letzten Endes Sterbliche. Sie sind sehr gute Kämpfer, schwerer zu besiegen als manch ein Samurai, doch auch sie atmen, auch sie verströmen einen Geruch. Hörst du ihren Atem nicht, dann wirst du sie riechen. Nicht den Angstschweiß gewöhnlicher Männer, sie riechen nach dem Ort, an dem sie leben. Nach Wald, Blättern, nach Holzkohle. Wenn deine Sinne sehr wach sind, können sie sogar das bittere Gift an ihren Klingen riechen. Ich werde dich lehren, wie das geht.«
Und er begann es mir zu zeigen. Ich war beeindruckt und fragte mich zugleich, ob er nicht vielleicht früher selbst einmal bei den Schattenkriegern war. Ob er nicht als Schattenkämpfer geboren wurde. Ich dagegen stellte mich dumm an, meine Ohren hörten zwar, aber meine Nase weigerte sich, die feinen Gerüche wahrzunehmen.
Doch anders als bei den Waffenübungen zeigte sich Hiroshi hier geduldig. Und noch etwas war seltsam. Er verpflichtete mich, niemandem von unseren Übungsstunden zu erzählen. Hin und wieder gingen wir dazu auch auf die Pferdewiese oder ritten zum Fuß des Berges, auf Boden, der nur dem Kloster gehörte und der die Schattenkrieger nicht interessierte.
Schließlich kam der Tag, an dem ich Akihiko zum ersten Mal satteln sollte. Ein wenig mulmig war mir schon, als ich mit dem Sattel auf dem Rücken den Weg zur Pferdeweide erklomm. Nicht nur, weil mich hier oben die Schattenkrieger sehen würden – auch fürchtete ich mich noch immer ein wenig vor dem Pferd. Akihikos Lippen mochten das Salz sanft von meiner Handfläche nehmen, aber was würde er dazu sagen, wenn er mein Gewicht auf seinem Rücken spüren musste?
Hiroshi hatte mir zwar versichert, dass es ihn nicht stören würde, aber ich traute dem Frieden nicht ganz.
Als ich an der Weide angekommen war, trabte der Apfelschimmel sogleich auf mich zu. Seine Nase stupste gegen meine Schulter, dann beugte er sich hinunter zu meiner Hand, denn er wusste genau, dass ich Salz bei mir hatte.
»Das ist der Moment, in dem du ihn aufzäumen solltest«, raunte mir Hiroshi zu und reichte mir das Halfter, das er bei sich trug. Es bestand aus geflochtenen Lederriemen, die fest genug waren, um den Hengst zu halten, wenn es nötig war.
Während Akihiko genüsslich auf dem Salz herumkaute, nahm ich das Halfter und näherte mich vorsichtig seinem Kopf. Ein wenig kam ich mir wie eine Verräterin vor. Ich hatte seine Freundschaft nur gewonnen, weil ich ihn seiner Freiheit berauben wollte. Darüber hätte Hiroshi sicher gelacht, aber ich entschuldigte mich im Stillen bei Akihiko für das, was ich jetzt tat.
Als ich dem Hengst das Halfter überstreifte, wackelte er kurz mit den Ohren und schreckte ein wenig zurück.
»Ist gut, mein Freund, vertrau mir«, flüsterte ich beruhigend, worauf er sich wieder seinem Salz widmete. Ich schloss das Halfter und streichelte ihm dann vorsichtig den Hals.
»Gut gemacht«, sagte Hiroshi mit einem anerkennenden Nicken, setzte aber sogleich hinzu: »Ihm den Sattel aufzulegen wird nicht so leicht werden, glaube mir.«
Ich wollte Hiroshi bitten, mir dabei zu helfen, aber das war unmöglich. Wenn Akihiko künftig bei den anderen Pferden im Stall stand, würde ich ihn auch allein satteln müssen. Er vertraute mir. Auch wenn ich dieses Vertrauen gerade missbrauchte.
Ich nahm also den Sattel von der Schulter, und als würde er Gefahr wittern, wich Akihiko zurück. Offenbar war unsere Freundschaft doch noch nicht groß genug.
»Ich verspreche dir, ich werde dir nichts tun«, redete ich auf den Hengst ein, worauf dieser ein ängstliches Wiehern von sich gab. Woher wusste er nur, was ihm blühte? Redeten die Pferde miteinander? Doch wenn, woher hätten die anderen wissen sollen, was es bedeutete, einen Sattel auf dem Rücken zu haben und einen Reiter zu tragen?
»Du musst schneller sein!«, tönte mein Lehrmeister. »Locke ihn noch einmal mit dem Salz, dann tritt neben ihn und wirf ihm den Sattel auf den Rücken.«
Das war leichter gesagt als getan, wahrscheinlich wusste er das auch.
Auf meine hingestreckte Hand reagierte Akihiko mit großem Misstrauen. Doch schließlich siegte seine Gier nach dem Salz. Langsam, einen Huf vor den anderen setzend, kam er auf mich zu, streckte seinen Hals, schnupperte.
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