Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
Apfelschimmel. »Geh und nimm ihm Halfter und Sattel wieder ab. Morgen ist vielleicht ein besserer Tag zum Ausreiten.«
Niedergeschlagen ging ich zu dem Pferd, das jetzt wieder ruhig und vertrauensvoll wirkte. Es schnupperte nach meiner Hand, und da ich noch einen Salzbrocken in der Tasche hatte, reichte ich ihn ihm. Bereitwillig ließ er sich das Halfter und den Sattel abnehmen. Akihiko zu bitten, beim nächsten Mal etwas nachsichtiger zu sein, würde nicht viel bringen, das wusste ich. Dennoch tat ich es, während ich seinen Hals streichelte.
In den folgenden Tagen zeigte sich, dass sich Hiroshi meine Worte zu Herzen genommen hatte, obgleich er das niemals offen zugeben würde.
Bevor wir zur Pferdeweide gingen, führte er mich auf die Übungswiese und gab mir dort ein Pferd, das meinen Ansprüchen weitaus besser entsprach.
Es war eines der ältesten und ruhigsten Pferde, ein schwarzer, etwas schwerfälliger Hengst mit grau melierter Mähne. Musa war sein Name. Wie ich aus den Erzählungen der Mönche wusste, war er halb blind und halb taub, weder der imposante Klang der Tempelglocke, die weithin durch die Berge hallte, noch ein schriller Pfiff neben ihm konnten ihn aus der Ruhe bringen. Dank seiner schlechten Augen schaute der Hengst auch nicht mehr Schmetterlingen oder Stuten hinterher oder ließ sich von jemandem, der von der Seite an ihn herantrat, erschrecken. Seine liebste Beschäftigung war das Kauen von Heu, und wenn sich doch jemand auf seinen Rücken setzte, ertrug er es mit der Gelassenheit eines Greises, der den Lauf der Welt kennt.
»Musa wird deinem Temperament wohl eher gerecht«, erklärte mir Hiroshi, wie immer leicht spöttisch, aber das berührte mich nicht. »Als unser Abt noch ein junger Mann war, mag er vielleicht ein feuriges Schlachtross gewesen sein, nun ist er froh, wenn man ihn in Ruhe lässt.«
Jeder andere hätte sich von diesem alten Tier beleidigt gefühlt, doch ich freute mich über Musas Ruhe und Gelassenheit. Er ließ mich auf seinen Rücken steigen, ohne auch nur einen Schritt beiseitezutreten, er ließ mir Zeit, die Zügel zu nehmen, und setzte sich dann ganz langsam in Bewegung. Mit jedem Tag, der verging, freute ich mich auf das alte Pferd, fast mehr als auf meinen wunderschönen Hengst oben auf dem Berg, der dazu übergegangen war, mich beim Füttern mit Salzbrocken in die Hand zu kneifen oder sich einfach nicht das Halfter anlegen zu lassen. Manchmal fragte ich mich, ob dieses Verhalten Eifersucht war. Akihiko roch das fremde Pferd an meinen Kleidern. Doch mir war seine Eifersucht egal, denn ich merkte, dass Musa mir die Angst nahm und ich wesentlich mutiger an Akihiko herantrat, obwohl er es mir alles andere als leicht machte und mich mehr als einmal abwarf.
Doch nach ein paar Wochen, als ich Musa aus dem Stall holen wollte, fand ich ihn tot auf dem Boden. Erschrocken darüber lief ich zu Hiroshi, der mir erklärte, dass dies nun mal der Lauf der Dinge sei.
»Seine Zeit war gekommen. Die wenigen Tage, die er noch hatte, verbrachte er immerhin nützlich damit, dir das Reiten beizubringen und die Furcht zu nehmen. Ich glaube, das hat ihn glücklich gemacht.«
Ich strich ein letztes Mal über das Fell des alten Musa, bevor man ihn fortschaffte. Ich war unendlich traurig, fast so, als hätte ich Akihiko verloren. Aber der strahlende Prinz wartete immerhin auf mich, und auch wenn ich noch keine gute Reiterin war, so war ich jetzt doch immerhin eine. Musa hatte mir geholfen, und sein Geist würde mir sicherlich helfen, auch mit Akihiko fertigzuwerden.
11
Während sich drückende Hitze mit heftigen Regenschauern des Sommermonats Minatsuki abwechselte, zogen die Mönche immer wieder aus, um Banditen zu jagen und sich Scharmützel mit benachbarten Klöstern zu liefern, die auf der Seite der Taira standen. Manchmal ritten sie geschlossen nach Heian-kyo, um Höflinge einzuschüchtern und ihre Forderungen nach Landbesitz im Tal zu untermauern.
In diesen ruhigen Tagen machte ich mich noch vertrauter mit dem Kloster. Wenn Yoshi sich zur Mittagsruhe oder zu seinen Gebeten zurückzog, erkundete ich die verschiedenen Teile der Anlage. Tenshis Schmiede kannte ich bald in- und auswendig, ich lernte, welche Kammer welchem Mönch gehörte und wo die Vorräte und Schätze des Klosters untergebracht waren.
Meine Frage nach geheimen Gängen beantwortete Yoshi so ausweichend, dass ich fest an ihre Existenz glaubte und mich auf die Suche danach machte. Allerdings befand sich der Zugang
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