Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
zu dem unterirdischen Labyrinth vermutlich nicht irgendwo auf dem Gelände, sondern gewiss in einem der wichtigen Räume, die zu betreten mir versagt war. Nie hätte ich mich in Takeshis Gemächer oder in die seines Stellvertreters Iwasama gewagt! Und auch in andere Quartiere traute ich mich nicht.
Besonders unnahbar schien mir der Raum des Waffenmeisters Nobunaga, er strahlte die gleiche Finsternis aus wie sein Gesicht. Ich wagte mich nicht einmal in dessen Nähe. Also versuchte ich mir wenigstens vorzustellen, wie diese Geheimgänge aussehen würden – und hoffte auf eine glückliche Fügung, die sie mir eines Tages offenbarte.
Wenn die Mönche von ihren Streifzügen zurückkehrten, mit wilden Geschichten von all den Köpfen, die sie abgeschlagen hatten, wirkte das Kloster so geschäftig wie ein Bienenstock. Ich begann, diese Tage zu mögen, denn während die Männer voller Enthusiasmus von ihren Taten berichteten, erwarteten sie nicht so viel Disziplin wie sonst, und selbst Hiroshi sah es mir nach, wenn ich mich nicht ganz so korrekt verhielt.
Gleichzeitig beneidete ich die Mönche darum, dass sie in die Schlacht reiten und ihr Können zeigen konnten, dass sie all diese wunderbaren Geschichten erlebten und vom Volk bewundert wurden.
Inzwischen glaubte ich, niemals so gut zu sein, dass die Mönche mich zu ihren Kämpfen mitnahmen. Dabei wünschte ich mir noch immer mehr als alles andere, die Mörder meiner Familie zur Strecke zu bringen.
Ich übte verbissen und fast schon verzweifelt, hatte aber stets das Gefühl, nicht besser zu werden. Und das auf allen Gebieten. Noch immer spürte ich die Schattenkrieger nicht richtig, noch immer traf nicht jeder Pfeil sein Ziel. Noch immer erschienen mir die Schwünge meiner Naginata unvollkommen und linkisch.
»Du kannst nichts erzwingen«, sagte mein Lehrmeister, als er es bemerkte. »Kümmere dich lieber um dein Pferd, das wird deine Gedanken klären.«
Mein Pferd! Akihiko hasste es nach wie vor, wenn ich ihm den Sattel auflegte. Wenn ich erst einmal auf seinem Rücken saß, beruhigte er sich wieder, doch bis es so weit war, verging viel Zeit. Zeit, die ich nicht hatte, denn der Küchendienst und meine anderen Pflichten riefen nach mir. Es war jedes Mal ein großer Kampf, bis ich mich ihm überhaupt mit dem Sattel nähern durfte. Wahrscheinlich hätte nicht einmal ein ganzer Sack Salz geholfen.
Der Küchendienst, die Übungen mit Hiroshi und die Arbeit mit Akihiko waren hart und wurden schlimmer, als der Herbst anbrach und die Wolken beständig Regen brachten. Auf das Wetter wurde kaum Rücksicht genommen. Manchmal waren meine Geta vom Schlamm und von der Nässe derart aufgeweicht, dass mir nichts anderes übrig blieb, als mit nackten Füßen zu üben. Dabei rutschte ich immer wieder aus, besonders in der ersten Zeit. Die Hufe meines Apfelschimmels rutschten ebenso häufig aus wie ich selbst, wobei ich mehr Sorge um ihn hatte, denn Hiroshi hatte mir erzählt, dass Pferde, die sich die Beine brachen, getötet werden mussten.
Als der Winter anbrach, bekamen wir den eisigen Atem des Berges zu spüren. Schnee wehte durch die Fenster und erinnerte mich an den Winter vor einem Jahr, als ich noch mit meinen Eltern und Geschwistern in unserer Hütte gesessen hatte. Kaum zu glauben, dass seitdem ein Jahr vergangen war! Die Wintertage ließen mich oft trübsinnig werden, ich bat meine Familie ein ums andere Mal, Geduld zu haben und mir zu verzeihen, dass ich ihre Mörder noch nicht gefunden hatte. Viel Zeit zum Trauern hatte ich allerdings nicht.
Die Mönche verbrachten ihre Tage damit, Stiefel aus Reisstroh zu flechten, ihre Waffen zu pflegen und Schäden an ihren Rüstungen auszubessern. Ich hatte zwar noch keine Rüstung, musste mich aber um meine Naginata kümmern, und außerdem brachte man mir zerrissene Kleider, die ich flicken sollte.
Hiroshi bestand trotz der Kälte darauf, dass wir jeden Morgen und Nachmittag übten – im Freien, es sei denn, ein Schneesturm fegte den Berg hinab und ließ es draußen unerträglich werden.
Akihiko war mittlerweile im Stall bei den anderen Pferden untergebracht. Jene Pferde, die noch auf der Weide waren, hatte man zu einem sicheren Unterstand gebracht, in dem sie sich Rücken an Rücken zusammendrängten.
Obwohl ich wegen des Schnees, der sich bald hüfthoch auf dem Gelände des Klosters türmte, nicht ausreiten konnte, legte ich Akihiko täglich den Sattel auf und hatte dabei das Gefühl, dass er es wesentlich besser duldete –
Weitere Kostenlose Bücher