Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
ließ, konnte ich sein Gesicht vollkommen sehen.
Im ersten Moment war ich erstaunt, wie jung der Fürst wirkte. Seine Züge waren ebenmäßig und klar, sein Blick entschlossen. Mit sicherer Hand führte er sein Pferd, während er würdevoll nach vorn schaute und die Soldaten, die zu seinen Füßen lagen, nicht zu beachten schien.
»Nimmst du wohl den Kopf runter!«, zischte es neben mir, dann drückte mich Hiroshis Hand wieder nach unten. »Den Fürsten direkt anzublicken ist eine Beleidigung, das müssten dir deine Eltern doch beigebracht haben!«
Ich antwortete nicht, denn trockene Grashalme kamen mir in die Nase und reizten mich zum Niesen. Ich hatte Mühe, es zu unterdrücken, und konzentrierte mich stattdessen auf das Stampfen der Pferdehufe, die an uns vorbeizogen. Der Anblick des Fürsten blieb allerdings vor meinen Augen, und ich war davon überzeugt, dass er uns den Sieg gegen die Taira einbringen würde.
Als er schließlich vorbei war, zerrte mich Hiroshi am Gewand wieder hoch.
»Jetzt kannst du wieder schauen«, brummte er. »Lass es dir nicht noch einmal einfallen, den Fürsten anzustarren.«
»Verzeiht, Sensei, aber ich habe ihn nicht angestarrt. Ich wollte nur einmal sein Gesicht sehen, damit ich ihn wiedererkenne, wenn er mir zufällig über den Weg läuft.«
Mein Lehrmeister schnaubte ungehalten. »Als ob er dir zufällig über den Weg laufen würde! Wenn du ihn siehst, dann bestenfalls in der Schlacht.«
»Auch dann möchte ich ihn nicht verwechseln«, konterte ich, was Hiroshi schließlich zum Schweigen brachte.
Obwohl dies nicht der günstigste Zeitpunkt war, fragte ich ein wenig später: »Sensei, was wisst Ihr über den Fürsten?«
Ich rechnete damit, dass Hiroshi mich wegen der dreisten Frage schelten oder sie zumindest abweisen würde.
Ein Lächeln huschte über das Gesicht meines Lehrers.
»Angesichts der Schlacht, an der du ja unbedingt teilnehmen wolltest, solltest du andere Sorgen haben. Kümmere dich um deine Rüstung und deine Waffe!«
»Wie Ihr wünscht, Sensei«, entgegnete ich, obwohl ich weder meine Waffe noch meine Rüstung pflegen musste, weil ich ja noch keinen einzigen Schwertstreich abbekommen hatte. »Dennoch, was wisst Ihr über ihn?«
Meine Hände überzogen sich mit kaltem Schweiß, und eine Aufregung überkam mich, die ich vorher nicht gekannt hatte. Hiroshi blickte mich prüfend an.
»Nun, wie du willst. Fürst Yoshinaka wurde in Musashi geboren. Nachdem sein Vater von seinem eigenen Vetter umgebracht wurde und seine Mutter durch den großen Schrecken ihr Gedächtnis verlor, wurde er als kleines Kind zum Nakahara-Clan in Kiso gebracht, wo er aufgezogen wurde. Seit er weiß, was seinem Vater widerfuhr, hat er den festen Willen, die Mörder zu stellen und ihren Kaiser vom Thron zu stoßen.«
»Dann geht es ihm beinahe wie mir«, murmelte ich. Eigentlich war das nicht für Hiroshis Ohren gedacht, aber er hörte es und rügte mich sogleich.
»Wie kannst du es wagen, dich mit dem Fürsten gleichzusetzen! Der Tod deiner Familie und der Tod in der Familie des Fürsten sind zwei ganz verschiedene Dinge, die du erst erfassen kannst, wenn dein Verstand weitaus gebildeter ist als jetzt!«
Der Ärger, der in seinen Augen aufblitzte, brachte mich davon ab, noch etwas zu sagen, nicht einmal eine Entschuldigung wollte mir über die Lippen kommen. Ich wusste, dass es an ihm lag, mich aus dem Lager fortzuschicken, und ich wusste auch, dass er es tun würde, wenn ich weiterhin Fragen stellte.
Dennoch rumorte es in mir, das Gesicht des Fürsten ging mir nicht aus dem Sinn. Die törichten Gedanken der anderen Mädchen hatte ich nie verstanden, doch nun kam ich mir selbst sehr töricht vor.
Bis zum Abend trafen weitere Krieger ein, und das Lager vergrößerte sich um ein Vielfaches. Mit Einbruch der Dunkelheit flammten Lagerfeuer auf, der Geruch von gebratenem Fisch waberte zwischen den Zelten hindurch. Die vielen Stimmen bildeten ein undurchdringliches Rauschen, dem ich schon seit einer Weile nicht mehr folgte, denn teilweise kannte ich die Geschichten schon und zum anderen Teil waren sie uninteressant.
Nachdem ich Akihiko versorgt hatte, der mit den Pferden der anderen Krieger auf einer kleinen Weide untergebracht war, huschte ich an den Feuerstellen vorbei zu dem Zelt, das ich mir mit Hiroshi teilte. Anfänglich fand ich es etwas merkwürdig, unter dem gleichen Dach wie mein Lehrmeister zu schlafen, doch die meisten Mönche schliefen zu zweit oder dritt in einem Zelt.
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