Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
den Tod meiner Familie hinwegging, machte mich wütend. Doch was konnte man von einem Todesgeist erwarten? Dass er Gefühle hatte, bestimmt nicht. Er hatte weder Mutter noch Vater, Geschwister vielleicht, aber das war sicher etwas anderes. Was konnte er schon von Liebe wissen?
»Wenn du so viel weißt, warum brauchen wir die Hilfe deiner Freundin?«, spottete ich. »Weißt du nicht, wo man den Spiegel finden kann?«
»Das weiß nur Amaterasu selbst«, gab Hiroshi ungerührt zurück. »Vor vielen Jahren hat sie dieses Insignium der Macht an sich genommen und versteckt, da sie der Meinung war, dass der Falsche ihrer menschlichen Nachfahren auf dem Chrysanthementhron sitzt.«
»Und die Taira haben den richtigen Kaiser auf ihrer Seite?« Das Bild eines kleinen Jungen, der etwas unbeholfen auf dem Chrysanthementhron saß, schoss mir durch den Sinn.
»Nein, aber sie glauben es«, entgegnete Hiroshi. »Es ist an uns, den wahren Kaiser ans Licht zu bringen. Oder besser gesagt, es ist an dir. Ich helfe dir nur auf deinem Weg.«
»Und weißt du auch, wohin dieser Weg führen wird? Was wird geschehen, wenn ich es schaffe, alle Insignien zu finden?«
»Zunächst einmal solltest du dich auf dieses eine konzentrieren – und natürlich auf die Befreiung unseres Meisters.«
»Und wenn er auch nur ein Kiesel ist, den die Götter achtlos fallen lassen?«
»Das liegt ganz an uns. Aber ich rate dir, sein Leben nicht einfach zu verspielen – er könnte ebenso wie das gesamte Kloster noch sehr wichtig für dich werden. Und so wie ich ihn kennengelernt habe, hält Takeshis Dankbarkeit ein Leben lang.«
Diese Worte brachten mich fürs Erste zum Schweigen. Zu groß erschien mir die Aufgabe, die mir die Götter gegeben hatten. Ja, nicht einmal der Aufgabe, Takeshi zu retten, fühlte ich mich gewachsen. Und schon gar nicht verstand ich, was die Götter wirklich von mir wollten. Es war ein ungutes Gefühl, dass Hiroshi oder wie auch immer er in Wirklichkeit hieß, bereits wusste, wie alles enden würde. Am liebsten hätte ich einfach kehrtgemacht und wäre davongeritten. Aber Hiroshi hätte mich zweifelsohne gefunden …
Am Abend lagerten wir an der dunkelsten Stelle des Waldes, an der man, wie ich fürchtete, noch nicht einmal erkennen würde, wann der Morgen graute. Das Laubdach war so dicht, dass kein Sonnenstrahl es durchdringen konnte.
Als ich meine Befürchtungen äußerte, lachte mein Begleiter nur.
»Keine Sorge, ich werde dich wecken, denn ein Toter braucht für gewöhnlich keinen Schlaf.«
Verwundert zog ich die Augenbrauen nach oben. »Du schläfst also nie?«
»Was meinst du, warum ich immer schon in aller Früh wach war und Bogenschießen geübt habe? Ich brauche keinen Schlaf. Solange ich in dieser Hülle wohnen will, bleibt sie, wie sie ist.«
»Und was ist mit der Nahrung? Ich habe dich essen sehen!«
»Natürlich esse ich. Stell dir vor, wie freudlos das Leben eines Geistes wäre – ausgeschlossen von allen Genüssen, die den Menschen vorbehalten sind. Wenn ich mir einen Körper genommen habe, genieße ich auch mit seiner Zunge und seiner Nase.«
»Und wenn du des Körpers überdrüssig wirst?«
»Dann verlasse ich ihn, und je nach Zustand bleibt entweder eine entseelte Leiche zurück oder Staub.« Hiroshi hob seinen Arm und betrachtete ihn, als suche er nach Anzeichen des Verfalls. »Von diesem Körper bleibt nur Staub, denke ich. Schade eigentlich, es ist ein guter Körper.«
»Kann dich denn auch jemand aus dem Körper vertreiben?«
Hiroshi wandte sich um und lächelte etwas säuerlich. »Willst du mich im Schlaf umbringen?«
»Du schläfst doch gar nicht!«, entgegnete ich bissig. »Doch was passiert, wenn dich jemand tötet?«
Der Todesgeist grinste, als bereite ihm diese Vorstellung großes Vergnügen. »Natürlich kann man mich vertreiben, aber nur, wenn man mir den Kopf abschlägt. Sollte das jemandem gelingen – was ich für unwahrscheinlich halte –, kann ich von einem anderen Toten Besitz ergreifen. Wenn ich also geköpft werde, tu mir nur den Gefallen und töte so schnell wie möglich jemanden. Ohne menschlichen Körper bin ich nämlich ziemlich nutzlos.«
»Dann stimmt es also nicht, dass deine Berührung töten kann?«, fragte ich.
»Natürlich kann ich durch Berührung töten, dazu brauche ich aber eine Hand. Was meinst du, warum ich immer Handschuhe getragen habe, wenn ich dich angefasst habe!«
Es stimmte! Er hatte mich nie mit bloßer Hand berührt.
Hiroshi deutete mein
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