Die Sanddornkönigin
gefunden.«
Felten sagte keinen Ton mehr, doch sein Gesicht war weiterhin tiefrot, als er sich wieder setzte.
»Das kann nicht sein, das kann einfach nicht sein. Meine Frau könnte so etwas doch nie tun.«
»Das hat auch kein Mensch behauptet. Aber dass wir sie in den engeren Kreis der Verdächtigen aufnehmen müssen, leuchtet Ihnen doch wohl ein.« Felten nickte schwach.
»Sie war eifersüchtig, das haben Sie selbst gesagt, sie hat schwache Nerven, und mit ihrer Flucht hat sie sich nicht unbedingt weniger verdächtig gemacht.«
»Vielleicht haben Sie Recht«, sagte er leise und kramte aus seinem Sakko ein kleines Tonband und legte es auf den Tisch.
»Es ist von Herrn Dr. Gronewoldt, er hat es mir gegeben, bevor er heute Abend die Insel wieder verlassen hat. Sie sollten es sich mal anhören.«
»Was ist darauf zu hören?«
»Er hat es heute aufgenommen, kurz bevor meine Frau hinaus gestürmt ist. Ich habe es selbst noch nicht gehört, aber er sagte mir, ich solle es gut verwahren, es ginge um den Mord.«
»Na, da hat der Herr Doktor es aber nicht ganz so genau genommen mit seiner Schweigepflicht.« Wencke nahm die Kassette an sich.
»Er hat es mir gegeben, und ich gebe es jetzt Ihnen. Ich bin mir sicher, er wollte nur das Beste für meine Frau. Deswegen…« Wencke holte ihr Diktiergerät hervor und hoffte, dass die Batterien nicht leer waren.
Fokke war zu müde zum Treten. Die Kopfschmerzen waren zwar verschwunden, aber an ihre Stelle war ein Gefühl getreten, das tausendmal mehr peinigte. Er kämpfte mit dem Fahrrad gegen den Wind an und war froh, als er die Pferdeställe erreicht hatte. Nun sah er eine kleine Gruppe Feuerwehrmänner, die mit Taschenlampen gerüstet über den Deich marschierten. Er hielt an. Sie waren auf der Suche nach ihr, damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte gedacht, dass sein Stiefvater sich noch etwas Zeit damit ließ in der grausigen Hoffnung, dass sich das Problem von selbst löste.
Doch vielleicht war auch nicht die Sorge um seine Mutter der Anlass für die Suchaktion, vielleicht war Hilke inzwischen auf der Fahndungsliste gelandet. Ihm blieb nicht viel Zeit, das Schlimmste zu verhindern, in einer halben Stunde würden die ersten Lichtkegel die Jagdhütte beleuchten, und dann wäre es zu spät. Er musste das Ganze abblasen, wie auch immer, diese Männer durften seine Mutter nicht finden, denn dann wäre sie verloren. Sie hatte nicht die Kraft, sich gegen falsche Beschuldigungen zur Wehr zu setzen, und in ihrer Verfassung würde sie sich Wort für Wort in einer Mischung aus Wahrheit und Hirngespinst verwickeln, was sie zwangsläufig in eine Ecke drängen würde, in die sie nicht gehörte.
Und um dies zu vermeiden, musste er den Menschen finden, der als Mörder dieser unseligen Ronja Polwinski überführt werden konnte. Erst dann wäre seine Mutter wirklich frei. Und der Mann, den er finden musste, war Thore Felten.
Eine Vision tauchte in seinem Inneren auf, eine Vorstellung, die ihn beflügelte: Feltens Verhaftung zum Dessert! Wenn sie am Samstag alle voll und zufrieden auf das süße Finale warteten, wenn mehr als nur einmal das Tischgespräch um die Geschehnisse im Dünental gekreist waren, dann wollte er ihnen den Gastgeber als Mörder servieren. Es dürfte keinen Moment früher und keine Sekunde später passieren, und wenn ihm dies gelänge, dann würden sie sein Essen nie wieder vergessen.
Fokke stieg auf sein Fahrrad und fuhr dem Inseldorf entgegen. Sein Herz raste.
Wollen Sie damit sagen, dass alles, was Sie bislang zustande gebracht haben, eine Suchaktion für eine verschwundene Zeugin ist?« Wencke hielt den Hörer etwas vom Ohr ab, denn ihr Chef wurde grundsätzlich laut, wenn er sich aufregte. Und er schien sich diesmal wirklich aufzuregen.
»Es stand heute schon in den überregionalen Zeitungen, Sie wissen schon, weil anscheinend sämtliche Prominenz am Wochenende auf ausgerechnet diese Insel kommen will wegen dieses Fressgelages. Ich habe keine Lust, dass wir uns vor allen blamieren, bis dahin sollte die Sache nun wirklich gegessen sein. Auf einer kleinen Insel kann es doch nicht so schwer sein, wenigstens ein paar Anhaltspunkte zusammenzutragen!« Er musste kurz und heftig Luft holen, um weiterzuschreien: »Wissen Sie was, Frau Tydmers, ich werde Ihnen morgen Verstärkung nach Juist schicken. Wenn Sie es genau wissen wollen, ich dachte dabei an Ihren lieben Kollegen Axel Sanders. Sie sind sich doch im Klaren, was das für Sie und Ihre Karrierepläne
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