Die Sanddornkönigin
Aus einem miefigen Familienhotel so ein Schmuckstück zu zaubern ist ein Mordsaufwand, das muss viel Nerven und vor allem viel, viel Kohle gekostet haben.«
Britzke nickte vor sich hin, er war für seine Verhältnisse wirklich nicht sehr gesprächig heute. Seine Aktentasche hielt er wie einen Schutzschild vor dem Körper.
»Es ist schon erstaunlich, wen dieser Felten morgen in seinem Hause begrüßen kann. Kein Mensch würde freiwillig bei diesem Wetter auf die Insel kommen, da muss man schon mit etwas ganz Besonderem aufwarten. Der Ministerpräsident wird auch anreisen, wussten Sie das?«
»Ja«, antwortete Britzke knapp.
»In der Presse hat er sogar angekündigt, dass er den nächsten Parteitag auf diesem Eiland abhalten will. Das wäre für alle hier natürlich eine ziemlich gute Werbung. Die Juister können froh sein, einen Mann wie Thore Felten unter sich zu haben, sonst würde dieser Ort hier vielleicht irgendwann komplett vergessen werden.«
Zu allem Überfluss begann es nun zu regnen, und Sanders hatte keinen Schirm bei sich. Der hätte aber wahrscheinlich auch nicht allzu viel gebracht, denn es schien hier irgendwie von der Seite zu regnen. Die Nässe kam sogar um die Ecken gefegt, und obwohl er dicht an den roten Hausmauern entlang ging, holte sie ihn ein und klebte ihm die Hose ans Bein.
»Es ist nicht mehr weit«, beruhigte ihn Britzke. Sie waren dem Wetter nun ausgeliefert, als sie den Weg durch die Dünen hinaufgingen. Sanders beschleunigte seinen Gang und war froh, als sie tatsächlich einen kurzen Moment später vor dem imposanten Gebäude angekommen waren. Bevor sie durch die gläserne Eingangstür das Hotel betraten, richtete er sich vor dem Spiegelbild das Haar. Es war wirr, und er fühlte sich sehr unwohl, wenn seine Frisur nicht das tat, was er wollte.
Im Foyer stand Wencke Tydmers und sprach gestenreich mit einem gut gekleideten Herrn, den Sanders sofort als den Hotelier Thore Felten erkannte. Er konnte dieses Feuer in ihren Augen erkennen, das immer dann aufglühte, wenn sie sich für ihre eigenwillige Art rechtfertigen musste. Sie war auf ihre Weise attraktiv, das hatte Sanders niemals bestritten, wenngleich er fand, dass die Jeans und Ledermode etwas zu leger für ihren Beruf war. Doch unter anderen Umständen hätte er vielleicht ein Auge auf sie geworfen, er hatte nichts gegen Frauen, die etwas störrisch waren. Mit dieser unkonventionellen Art konnte sie einem Mann mit Sicherheit den Kopf verdrehen. Seiner Ansicht nach hatte sie den falschen Beruf, vielleicht hätte sie etwas Künstlerisches studieren sollen.
Als sie ihn sah, verzog sie ihre Miene, sie machte keinen Hehl daraus, dass sie ihn nicht mochte. Er zog die dicke Jacke aus, ein junges Mädchen eilte herbei und nahm sie ihm ab, dann kamen Tydmers und Felten auf ihn zu.
»Ich bin froh, dass Sie gekommen sind, Herr Kommissar Sanders. Wenn ich ehrlich bin, habe ich so meine Schwierigkeiten mit Ihrer jungen Kollegin«, begrüßte ihn der Hotelier. Sanders war froh, dass er sein neues Hemd und die Seidenkrawatte trug, so machte er auf diesen Felten einen ebenbürtigen Eindruck, was zuerst einmal eine wichtige Voraussetzung für gute Zusammenarbeit war.
»Herr Felten, ich bewundere Sie und Ihr wundervolles Hotel, es ist mir eine Freude, Sie persönlich kennen zu lernen, wenn auch die Umstände mehr als traurig sind.« Eine Spur von Anerkennung huschte über das Gesicht seines Gegenübers.
»Darf ich fragen, welcher Art Ihre Schwierigkeiten mit Frau Tydmers sind?«, erkundigte sich Sanders.
»Das können Sie mich auch selbst fragen«, schaltete sich seine Kollegin ein. Sie ging ihm und Thore Felten höchstens bis zur Brust, beide mussten hinunterschauen, um ihrem wütenden Einwurf zu folgen.
»Es passt Herrn Felten nicht, dass wir seine Frau nicht finden wollen, obwohl er selbst bis gestern Abend keinen Finger dafür krumm gemacht hat. Dann stößt es ihm auf, dass unsere Freunde von der Spurensuche das Kühlhaus in Beschlag nehmen, wo er dort doch seine kulinarischen Schätze für morgen Abend aufbewahrt, und einen Termin mit seinem Küchenpersonal für die Ermittlungsgespräche will er uns auch nicht gewähren. Lieber Kollege Sanders, schön, dass Sie da sind, bitte übernehmen Sie!«
Sie drückte ihm irgendwelche Papiere in die Hand, es waren die Durchsuchungsbefehle, dann drehte sie sich um und wollte gehen.
»Also, im ersten Punkt kann ich Sie schon einmal beruhigen, Herr Felten.« Tydmers blieb für einen kurzen
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