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Die Sanddornkönigin

Die Sanddornkönigin

Titel: Die Sanddornkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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wollten.«
    Wencke rieb sich die Arme, dies war kein Ort, an dem sie sich schlafen legen wollte.
    »Gehen wir kurz nach oben? Dort ist es wärmer, und wir können miteinander reden.« Er nahm eine grüngelbe Frucht in die Hand und führte Wencke aus dem Kühlhaus. »Ich nehme uns eine Babaco mit. Und … danke, dass du gleich gekommen bist.«
    »Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät.«
    Fokke hastete durch die Küche. Neben der Tür hing ein Telefon, er nahm den Hörer ab und wählte eine lange Nummer, legte dann aber nach kurzer Zeit wieder auf, ohne mit jemandem gesprochen zu haben.
    »Gunnar, ich bin fast schon wieder da. Frau Tydmers muss mich kurz in Beschlag nehmen.«
    Sein Kollege nickte kurz und klopfte grinsend mit der Handfläche auf seine Faust. Wencke hatte diese Geste noch nie verstanden.
    »Tut mir Leid, Wencke, manchmal benimmt er sich ziemlich peinlich.«
    »Lass nur, so ist er mir wesentlich lieber, als wenn er seine Bücklinge im Hotel aufführt.«
    Schweigend benutzten sie den Personalaufzug, Fokkes Zimmer war ein Stockwerk über Feltens Wohnung, es war winzig, wenn man bedachte, dass ein erwachsener Mann darin lebte.
    »Nicht so schlimm, ich bin nur selten hier. Mein Zuhause ist die Küche, und sonst bin ich lieber an der frischen Luft als hier drinnen.«
    Sie warf einen Blick aus dem kleinen Fenster, man schaute direkt auf ein kleines Vordach, dahinter zeigten sich die Dächer der Juister Häuser. Das »Dünenschloss« überragte sie alle, lediglich der Kirchturm, der aussah wie ein spitzer Bleistift, war in derselben Höhe. Sie hörte die Glocken läuten, die Töne schienen in all den verwinkelten Straßen und Häuserecken widerzuhallen, das Geläut schwoll an und wurde unüberhörbar. Es war zwölf Uhr. Zu Hause hatte sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr die Mittagsglocken wahrgenommen.
    Aus Platzmangel setzte Wencke sich auf den schwarzen Drehstuhl, der vor einem voll bepackten Schreibtisch unter der Dachschräge stand. Kein Computer, keine Fotos, keine ausgerissenen Kochrezepte aus »Bild der Frau«, dieses Zimmer gab nur wenig Auskunft über den Mann, der darin wohnte und für den sie weiter gegangen war, als es ihrem Berufsethos entsprach. Er schnitt mit einem Brotmesser die Babaco in Scheiben und legte sie mit einer Drehbewegung auf eine Untertasse, die Frucht zerfiel in einen harmonischen Fächer, und Wencke dachte an Meints kantige Apfelspalten, die kreuz und quer auf dem Teller gelegen hatten.
    »Essen ist etwas Wunderbares, die Zunge ist eines der sinnlichsten Organe, viel sensibler als diese anderen Körperteile, denen wir immer so viel Bedeutung beimessen.« Es klang kein bisschen schlüpfrig, wie er das sagte, obwohl es vielleicht durchaus so gemeint war. Doch es stieß Wencke nicht ab. »Eben unten, am Telefon, ich habe sie gewarnt. Sie wird sich aus dem Staub gemacht haben, kaum dass der letzte Piepton verklungen war. Wir müssen nur eine neue Lösung für meine Mutter finden.«
    »Tut mir Leid, das Ganze, aber ich befürchte, ich habe nicht mehr allzu viel Einfluss auf den Fall. Mein Chef hat einen meiner Kollegen auf die Insel geschickt, und das ist ein ziemlich unangenehmer Kommissar. Wenn ich ihm unsere Beweggründe darlege, wird er deine Mutter umso intensiver suchen. Und, wenn ich ehrlich bin…«
    »Ja…?«, fragte er nach einem längeren Zögern.
    Sie konnte es ihm nicht sagen, die Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf, sie hätte keinen vernünftigen Satz zustande gebracht. Er hatte ja keine Ahnung von dem Dilemma, in dem sie sich befand, er wusste nichts von ihren Rivalitäten mit Sanders, von den Vorwürfen, die sie sich selbst von Meint hatte anhören müssen, und von ihrer Einsamkeit, die weit über diesen Fall hinaus ging. Als sie Axel Sanders vorhin in die Eingangshalle hatte kommen sehen, hatte sie verstanden, dass sie auf verlorenem Posten stand, sollte sich ihre Entscheidung von gestern Abend als Fehler erweisen. Eigentlich hatte sie nur noch eine Chance: Sie musste den eingeschlagenen Weg zu Ende gehen. Entweder fände sie letztlich die richtige Fährte, und Sanders stand im Regen, oder sie konnte in Aurich ihre Koffer packen. Ihr großer Vorteil bei der Sache war, dass sie Sanders bei diesem Spiel in die Karten schauen konnte. Sie würde ihm scheinbar hilfreich zur Seite stehen, wie man es von ihr erwartete. Der Nachteil war, dass sein Blatt eindeutig mehr Asse enthielt. Auf ihrer Hand lag alles Mögliche und ein Herzbube.
    Wencke holte ihren Rucksack

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