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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Qian Xiongfei seufzte. »Exzellenz, Ihr habt gewonnen!«
    Yuan Shikai räusperte sich und erhob seine Stimme: »Brüder, ich bin untröstlich darüber, daß Qian Xiongfei heute in Stücke gehackt werden wird, denn er war ein Offizier mit vielversprechenden Zukunftsaussichten. Welche Hoffnungen habe ich in ihn gesetzt! Doch er hat sich mit der Partei der Umstürzler eingelassen, sich unverzeihlicher Vergehen schuldig gemacht. Nicht ich bin es, der ihn tötet und auch der kaiserliche Hof ist es nicht; er selbst ist es. Ich hätte mich gerne dafür verwendet, daß wenigstens sein Leichnam intakt bleibt, doch es ist mir nicht möglich, aus persönlicher Sympathie das Gesetz des Staates zu beugen. Um ihm einen perfekten Tod zu gewähren, habe ich das Justizministerium ersucht, uns den besten Foltermeister des Hofes zu überlassen. Qian Xiongfei, dies soll mein letztes Geschenk an dich sein. Ich hoffe, daß du deine Strafe mit Gelassenheit erdulden wirst und meiner modernen Armee ein gutes Beispiel geben wirst. Hört gut zu, meine Brüder. Ich habe euch heute veranlaßt, dieser Exekution beizuwohnen und meinen strengen Ermahnungen zuzuhören, um vor euch ein Exempel zu statuieren. Ich hoffe, ihr werdet aus dem, was Qian Xiongfei widerfährt, eine Lehre ziehen und zu aufrechten und standhaften Männern werden, die ihrem Kaiser treu ergeben sind. Seid versichert: Wenn ihr euch an meine Anweisungen haltet, erwartet euch eine große Zukunft!«
    Unter der Regie der Offiziere riefen die Soldaten im Chor: »Ewige Treue dem kaiserlichen Hof, unser Leben für den General!«
    Yuan Shikai setzte sich und gab dem Offizier Zhang Xun mit einer leichten Kopfbewegung ein Zeichen. Dieser verstand sofort und rief: »Die Hinrichtung soll beginnen!«
    Zhao Jia machte einen Schritt nach vorn und stand nun Qian Xiongfei von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Sein Gehilfe händigte ihm das mit bestem Stahl geschliffene Messer aus, das eigens für die Zerstückelung hergestellt worden war. Er sagte mit leiser Stimme: »Bruder, vergib mir!«
    Qian Xiongfei gab sich alle Mühe, dem Tod unerschrocken ins Auge zu blicken und stolz und gelassen zu wirken, doch seine blassen Lippen zitterten. Die unübersehbare Furcht Qians stellte für Zhao Jia seine Berufsehre wieder her. Im Bruchteil einer Sekunde wurde sein Herz zu Stein, und er wurde ruhig wie stilles Wasser. Er sah vor sich keinen lebendigen Menschen mehr, sondern nur noch eine nach dem Modell des Schöpfers geformte Masse aus Blut und Knochen. Er versetzte Qian einen so gewaltigen Schlag in die Magengrube, daß dieser die Augen verdrehte, und noch bevor das laute Geräusch dieses Schlags verebbt war, ließ er mit der rechten Hand geschickt sein Messer rotieren und schnitt blitzschnell ein kupfermünzengroßes Stück Fleisch aus der rechten Brust des Delinquenten. Er hatte exakt die Brustwarze herausgetrennt und hinterließ eine Wunde, die an die Augenhöhle eines Blinden erinnerte.
    Gemäß dem ungeschriebenen Gesetz seiner Zunft spießte Zhao das Stück Fleisch mit der Messerspitze auf und präsentierte es zuerst Seiner Exzellenz Yuan und den hohen Offizieren und anschließend den Reihen der fünftausend Soldaten. Sein Gehilfe verkündete laut: »Schnitt Nummer eins!«
    Er spürte das Zittern des Fleischstücks auf seinem Messer, hörte, wie die Offiziere hinter ihm angespannt um Luft rangen und der in der Nähe sitzende Yuan Shikai ein unnatürliches Räuspern von sich gab. Ohne den Kopf wenden zu müssen, wußte er, daß die Gesichter der Zuschauer die Farbe gewechselt hatten. Er war sich auch gewiß, daß ihre Herzen, das Herz von Yuan Shikai eingeschlossen, wie wild pochten, was ihm ein zufriedenes Gefühl der Schadenfreude gab. Er hatte es in seiner Zeit als Henker schon mit so vielen hochgestellten Persönlichkeiten zu tun gehabt, daß er schon daran gewöhnt war, wie diese Männer gerne zur Demonstration ihrer Macht ihre Muskeln spielen ließen, aber dann auf dem Richtplatz zu hilflosen Memmen wurden. Unter hundert dieser Leute fand sich nicht einer, der angesichts einer grausamen Folter seine Angst beherrschen konnte wie dieser brave Qian Xiongfei. Das bestärkte ihn in der Gewißheit, daß er zumindest in diesem Augenblick alle anderen übertraf. Ich bin nicht ich. Ich bin die rechte Hand des Kaisers und der Kaiserinwitwe, ich bin das personifizierte Gesetz der großen Qing-Dynastie!
    Geschickt ließ er die Hand, in der das Messer aufblitzte, rotieren und das aufgespießte Stück

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