Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)
Fremden unter meinem Regiment. Sag deinen Namen.«
»Also gut Sun Bing, mein werter Berufsrebell, hör mir gut zu: Ich bin der Präfekt von Gaomi, vom kaiserlichen Hof bestellter Beamter, mein Familienname lautet Qian, mein Vorname Ding und mein offizieller Beiname Yuanjia.«
»Soso, da haben wir also den kleinen Kreispräfekten von Gaomi«, sagte Sun Bing. »Was hast du hier zu schaffen, warum gehst du nicht im Yamen deiner Arbeit nach?«
»Sag bloß, Sun Bing! Läßt du mich denn in Frieden meiner Arbeit nachgehen?«
»Ich bin hier mit einer wichtigeren Aufgabe befaßt, nämlich der, die ausländischen Bastarde auszurotten, für die armseligen Angelegenheiten eines kleinen Präfekten habe ich keine Zeit.«
»Wegen genau dieser wichtigen Sache bin ich hier. Mach das Tor auf. Denn wenn erst die Armee kommt, um es zu öffnen, werden weder die Guten noch die Bösen heil davonkommen.«
»Wenn du etwas zu sagen hast, kannst du es auch von draußen tun. Ich kann dich sehr gut hören.«
»Es handelt sich um eine vertrauliche Angelegenheit, ich muß von Angesicht zu Angesicht mit dir reden.«
Sun Bing zögerte einen Moment, bevor er sagte: »Nur du allein darfst eintreten!«
Der Präfekt glitt in die Sänfte und befahl den Trägern, weiterzugehen.
»Nicht in der Sänfte.«
Der Präfekt hob den Vorhang und sagte: »Ich bin ein Beamter des Hofes und habe das Recht, mich in einer Sänfte befördern zu lassen.«
»Dann also nur die Sänfte.«
Qian Ding wandte sich zu den Soldaten in seinem Gefolge und befahl: »Gut. Ihr wartet draußen!«
»Exzellenz!« riefen Liu Pu und Chunsheng und klammerten sich an der Sänfte fest. »Exzellenz, Ihr könnt nicht allein dort hineingehen!«
Der Präfekt sagte lächelnd: »Immer mit der Ruhe, General Yue ist doch ein besonnener Mann, er will mir sicher nichts anhaben.«
Mit einem lauten Quietschen öffnete sich das Tor und die Sänfte des Präfekten setzte sich schwankend in Bewegung. Als die Gewehr- und Bogenschützen ihr nachstürmen wollten, hagelte es von der Mauer herab Steine und Ziegel. Die Schützen wollten schon auf die Angreifer anlegen, aber der Präfekt hielt sie mit einem strengen Befehl zurück.
Als die Sänfte das Tor aus Pinienholz passierte, das man erst kürzlich mit Eisenplatten verstärkt hatte, lag auf einmal starker Harzgeruch in der Luft. Qian Ding sah, daß man zu beiden Seiten der Straße sechs Schmiedeöfen aufgestellt hatte, in denen rot das Feuer glühte, von Blasebälgen angefacht. Um die Öfen herum schwärmte jeweils eine Gruppe von Leuten, die darin Waffen schmiedeten. Laut erklang das Ding-ding der Schmiedehämmer und nach allen Seiten stoben die Funken. Auf der Straße waren viele Frauen und Kinder, einige trugen frischgebackene Fladen, andere Körbe mit geschälten Zwiebeln; alle machten sie ernste Gesichter und warfen böse Blicke in Richtung der Besucher. Ein kleiner Junge mit einem kleinen Dutt auf dem Kopf und einem blanken Bäuchlein schleppte einen irdenen, schwarzen Krug, aus dem es stark dampfte. Er legte das Köpfchen schief und schielte auf den Präfekten. Plötzlich sang er mit seiner Kinderstimme einen Vers aus der Katzenoper:
»Es friert ihr Leute, Stein und Bein,
Der Wind bläst in die Ärmel rein.«
Die Melodie aus der Kehle des Kindes erfreute den Präfekten, der aber gleich darauf von einer tiefen Melancholie ergriffen wurde. Er mußte wieder an die deutschen Truppen denken, ihre Waffen und ihre Kanonen und ihre gutgedrillten Formationen auf dem Exerzierplatz der Tongde-Akademie. Angesichts dieser Dörfler, die von Sun Bings schwarzer Kunst in einen Haufen Narren verwandelt worden waren und sich mit Hingabe ihrem eigenen Untergang widmeten, fühlte er spontan das Gefühl der Verantwortung in sich aufsteigen, sie vor ihrem Unglück zu bewahren. Er dachte an das Gespräch mit seiner Frau und in seinem Inneren hallte ein Schwur wider: Nein, er hatte nicht das Recht, aufzugeben oder sich umzubringen, sei es für den Staat oder für das Volk, es wäre die jämmerliche Tat eines Feiglings. Ein Mann mit Courage, der in diese schweren Zeiten hineingeboren worden war, mußte sich ein Beispiel an Zeng Wenzheng nehmen. Er mußte die Gefahr abwenden, die Wellen der Verheerung aufhalten und das Volk aus seiner Misere befreien. Ach Sun Bing, du verdammte Kanaille, du führst einen privaten Rachefeldzug und setzt dabei das Schicksal Tausender braver Einwohner von Masang aufs Spiel. Du zwingst mich, dir die Flausen auszutreiben.
Sun
Weitere Kostenlose Bücher