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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Hund und zwei Schweine verwandelt.«
    Qian Ding wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Knobel zog seine Pistole und schoß auf Sun Bing. Die Kugel prallte an dem Dattelholzstock ab und machte dabei ein eigenartiges Geräusch. Angesichts der Haltung, die Sun Bing einnahm, hätte man denken können, daß es sein Stock war, der die Kugel getroffen hatte, und nicht umgekehrt. Kurz nachdem Knobel den Schuß abgegeben hatte, feuerte einer der jungen Gefolgsleute Sun Bings aus einer Schrotflinte auf den Deutschen. Der Schrot schoß besenförmig heraus und traf Knobels Pferd. Es bäumte sich unter den Schmerzen heftig auf und warf seinen Reiter aus dem Sattel. Das Pferd galoppierte in Richtung Fluß, Knobel auf dem Boden hinter sich herschleifend. In diesem kritischen Moment stürzte sich der Präfekt blitzschnell wie ein Panther auf das Pferd und hielt es am Hals fest. Während er versuchte, das von den Schrotkugeln geblendete Pferd zu bändigen, mühte sich die Garde, Knobel, dessen Ohr von der Schrotflinte einen Durchschuß erhalten hatte, aus den Steigbügeln zu befreien. Knobel strich sich über das Ohr und als er das Blut auf seiner Hand sah, stieß er einen durchdringenden Schrei aus.
    »Was schreit Seine Exzellenz da?« fragte Qian Ding den Dolmetscher.
    Der Dolmetscher übersetzte stammelnd: »Der Herr Generalgouverneur sagt, daß er bei Seiner Exzellenz Yuan Beschwerde gegen Euch einlegen wird.«

4.
    Die deutschen Truppen, unterstützt von der über Nacht aus Jinan herbeigeeilten Infanterie der Rechten Armee, umzingelten Masang. Die kaiserlichen Truppen bildeten die Vorhut, die deutschen die Nachhut und so lancierten sie ohne jede Vorbereitung einen Angriff. Der Präfekt und der Kommandant des Infanterieregiments, Ma Longbiao, standen rechts und links von Knobel, dessen Ohr mit einem Verband umwickelt war, als wären sie seine Leibwache. In ihrem Rücken, in einem Wäldchen aus Weidenbäumen, hatte bereits die deutsche Artillerie Stellung bezogen. Hinter jeder Kanone standen vier deutsche Soldaten, kerzengrade und bewegungslos wie Stöcke. Der Präfekt wußte nicht, ob Knobel sich bereits bei Yuan Shikai über ihn beschwert hatte. Kurz nach der mißglückten Geiselübergabe, war bereits Ma Longbiao abgehetzt, müde und staubbedeckt mit seinem Bataillon eingetroffen.
    Der Präfekt hatte sogleich für die Unterbringung und die Verpflegung der Soldaten Sorge getragen und richtete zudem ein Bankett zum Empfang des Kommandanten Ma aus. Sein Gast war ein bescheidener und freundlicher Mann, der es nicht müde wurde, seiner Hochachtung für Zeng Wenzheng Ausdruck zu verleihen. Auch betonte er mehrfach, wie sehr er die Gelehrsamkeit des Präfekten bewundere. Gegen Ende des Banketts verriet er ihm noch unter vorgehaltener Hand, daß er ein enger Freund Qian Xiongfeis gewesen sei, der gerade in Tianjin so grausam hingerichtet worden war. Diese Information gab Qian Ding das Gefühl der Verbundenheit mit diesem Mann. Es war, als wären sie langjährige, intime Freunde, die sich alles anvertrauen könnten.
    Um Ma Longbiao bei seiner großen Aufgabe behilflich zu sein, schickte der Präfekt seine eigene Truppe von fünfzig Soldaten den deutschen und den kaiserlichen Truppen voraus. Es war noch nicht Tag und sie machten sich die Dunkelheit zunutze, um unbemerkt von den schlafenden Bewohnern Masangs Aufstellung zu nehmen. Qian Ding begab sich selbst vor Ort, denn er schämte sich wegen der mißglückten Aktion des vorigen Tages, bei der er sich derart hatte zum Narren halten lassen. Sun Bing hatte ihn und den Deutschen zu hilflosen Darstellern in einem schändlichen Spiel gemacht. Die gekünstelte Stimme des Schauspielers und das Geschrei seiner Gefolgschaft hallten Qian Ding noch immer in den Ohren nach: »Sie haben sich in Schweine und Hunde verwandelt!« Ich hätte mir doch denken können, daß sie die Geiseln nicht am Leben lassen würden, dachte der Präfekt. Hatte er nicht selbst davon reden hören, daß Sun Bing die Gefangenen an einen Baum hatte binden lassen, um ihnen ins Gesicht zu pinkeln? Wahrscheinlich hatte man ihre Herzen und ihre Lebern in einer Gedenkzeremonie für die toten Seelen der siebenundzwanzig Dorfbewohner geopfert. Es war unglaublich naiv von mir, sagte sich Qian Ding, zu glauben, sie seien noch am Leben, und noch lächerlicher war es, daß ich auch noch meinte, mir durch eine geglückte Geiselübergabe bei Seiner Exzellenz Yuan Meriten zu verdienen. Das Gerede meiner Frau war es, das mich zu diesem

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