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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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wurde daher auch für die Katzenoper übernommen. Das Ergebnis war viel beeindruckender als eine reine Gesangsdarbietung.
    Du kennst mich, Kleiner Berg. Ich bin einer, der es immer noch besser machen will als die anderen, niemals würde ich mich auf das verlassen, was andere mir vorsetzen. Zu dieser Zeit gab es bereits den Begriff Katzenoper. Deshalb war meine Idee, uns durch etwas, was mit diesem Namen in Verbindung zu bringen ist, von allen anderen abzusetzen. So habe ich die Katzenvioline namens Maohu erfunden und habe damit den Grundstein zu unserer ganz besonderen Opernform gelegt.
    Verglichen mit einer Erhu ist unsere Maohu größer; außerdem hat sie nicht nur zwei, sondern vier Saiten und wird mit zwei Bögen gespielt. Die dadurch entstehenden Doppeltöne klingen besonders schön. Ihr Klangkörper ist auch nicht mit einer Schlangenhaut bespannt, sondern mit einem gegerbten Katzenfell. Die Erhu taugt nur für gewöhnliche Melodien, aus unserer Maohu holen wir alle erdenklichen Klänge, die man auf dieser Welt zu hören bekommt, heraus: das Miauen von Katzen, das Bellen von Hunden, das Schreien von Eseln, das Wiehern von Pferden, das Weinen von Kindern, das Lachen von Frauen, das Schreien von Hähnen und das Gackern von Hennen. Mit dieser Erfindung gewann unsere Form der Oper sofort an Renommee, keine der anderen Truppen hatte in unseren Breiten mehr Erfolg.
    Nach diesem besonderen Streichinstrument habe ich auch noch eine besondere Trommel, die Maogu, erfunden, die mit Katzenhaut bespannt ist. Außerdem habe ich mir Dutzende von Rollen für unsere Oper ausgedacht, darunter die »verspielte Katze«, die »zornige Katze«, die »eifersüchtige Katze«, die »loyale Katze«, die »verliebte Katze« ... Man kann wahrhaftig sagen, daß es ohne mich, Sun Bing, die Katzenoper in ihrer heutigen Form nicht gäbe.«
    »Das stimmt ganz ohne Zweifel, Meister«, sagt der Kleine Berg ehrfürchtig.
    »Natürlich bin ich nicht der Urvater der Katzenoper, das ist und bleibt Chang Mao. Wenn man unsere Oper mit einem Baum vergleicht, dann ist Chang Mao dessen Wurzel, und ich bin der Stamm.«

5.
    »Mein lieber Schüler, welche Stücke hat dich der Meister vor vielen Jahren gelehrt?«
    »›Das Hongmen-Bankett‹, Meister«, antwortet der Kleine Berg leise, »und dann noch ›Die Verfolgung des Han Xin‹.«
    »Teufel auch, das sind beides Stücke, die ich von anderen Opernformen übernommen habe. Du weißt wahrscheinlich gar nicht, daß dein Meister, um an diese Stücke heranzukommen, sich früher eigens unter Dutzende von Schauspieltruppen in anderen Provinzen gemischt hat, um dort kleinere Rollen zu übernehmen. Bis zu den Provinzen im Süden bin ich gereist, ich war in Shanxi, bin von dort über den Großen Fluß und bis nach Guangxi und Guangdong. Es gibt im ganzen Reich keine Rolle, die ich nicht spielen könnte, keine Arie, die ich nicht singen könnte. Wie eine Biene habe ich die Pollen all dieser Blüten eingesammelt, um daraus den guten Honig zu machen, der unsere Katzenoper ist.«
    »Meister, Ihr seid wirklich ein großes Talent.«
    »Ursprünglich hatte ich noch Größeres vor. Ich hatte den Wunsch, die Katzenoper auch in der Hauptstadt aufzuführen und populär zu machen. Mein größter Wunsch war, eines Tages vor dem Kaiser und der Kaiserinwitwe persönlich aufzutreten. Ich wollte unsere lokale Opernform zu einer großen Nationaloper machen. Wer weiß, ob es in unserem Land so viel Aufruhr gäbe, wenn mir mein Vorhaben gelungen wäre. Es ist ein Jammer, wirklich ein Jammer, daß mir damals, als ich so voller Ideen und Enthusiasmus war, von einem gemeinen Verräter der Bart ausgerissen und meine Karriere beendet wurde. Dieser Bart war mein wichtigstes Kapital, er stand für meinen Mut, mein Talent, für die Seele unserer Oper. Ohne Bart bin ich wie eine Katze, der man das Schnurrhaar abgesengt hat, ein Hahn, dem man den Kamm geschoren hat oder ein Pferd, dem man den Schweif gestutzt hat ... Ach, lieber Schüler, mir blieb nichts anderes übrig, als ein Teehaus aufzumachen, um mir damit recht und schlecht den Lebensunterhalt zu verdienen ... Das nennt man dann ›Vor Vollendung seines Werkes sterben müssen‹. Das ist der Stoff, der die größten Helden weinen läßt!«
    Als ich an diesem Punkt angekommen bin, beobachte ich, daß der Präfekt zittert. Kleiner Berg hat Tränen in den Augen.
    »Das Vorzeigestück unserer Katzenoper, mein lieber Schüler, ist ›Chang Maos Trauergesang‹. Es handelt sich dabei um eines

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