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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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ihr Geld zukommen. Sie werden außerdem in den schwarzen Beamtenrang erhoben und sollen ein Stück Land erhalten, dessen Steuereinnahmen ihnen zufallen sollen.«
    Zhao Jia, der hinter mir hergegangen ist, wirft sich auf die Knie und sagt laut: »Wir danken Seiner Exzellenz für die große Gnade, die er uns zuteil werden läßt!«
    »Ich ermahne dich, Zhao Jia, vorsichtig zu sein«, sagt Yuan Shikai, streng und freundlich zugleich. »Ihr dürft ihn auf keinen Fall sterben lassen. Er muß unbedingt bis zur Eröffnungszeremonie für die neue Bahnstrecke am Zwanzigsten dieses Monats überleben. Dann wird auch die ausländische Presse hier sein, um Photographien zu machen. Wenn du ihn vorher sterben läßt, dann ist es aus mit unserer Freundschaft.«
    »Seid unbesorgt, Exzellenz«, antwortet Zhao Jia im Brustton der Überzeugung. »Euer ergebener Diener wird alles dafür tun, daß er bis zu diesem Tage am Leben bleibt.«
    »Präfekt von Gaomi, deine persönlichen Wachen werden, als Dienst am Kaiser und der Kaiserinwitwe, hierbleiben und für Ordnung sorgen. Sie werden vorerst nicht in das Yamen zurückkehren«, sagt Yuan Shikai lächelnd zu mir. »Wenn die Eisenbahnstrecke erst eröffnet ist, wird Gaomi die Hauptstadt des Landes sein! Selbst wenn du bis dahin noch nicht befördert worden bist, wird deine Präfektur von der Eisenbahn profitieren. Wie sagt man noch: ›Wenn das Pfeifen des Zuges ertönt, ist das Land von Glück verwöhnt‹. Werter Freund, um ehrlich zu sein, bin ich ja längst derjenige, der diese Präfektur regiert und das Volk unter Kontrolle hat.«
    Er bricht in schallendes Gelächter aus. Rasch knie ich vor ihm nieder und sage, begleitet von den ununterbrochenen Beschimpfungen Sun Bings: »Ich danke Exzellenz für Eure Unterweisungen. Euer Diener wird alles daransetzen, seiner Pflicht und seiner Verantwortung zu genügen!«

2.
    Yuan Shikai und Knobel gehen Hand in Hand, wie die allerbesten Freunde, die Rampe hinunter. Die Soldaten ihrer beider Armeen gruppieren sich um die Sänfte Yuans und um Knobels Pferd und verlassen das Gelände der Akademie über den gewundenen Weg in Richtung Yamen. Auf dem Exerzierplatz wirbelt Staub auf und von der Hauptstraße her hört man lautes Hufgetrappel auf den glasierten Pflastersteinen. Das Yamen ist bereits zu einer temporären Residenz für Yuan und Knobel geworden, gerade so wie die Tongde-Akademie bereits der ausländischen Armee als Kaserne und Stall dient. Als sie fort sind, drängt sich das Volk, das bisher vom Rande des Platzes aus zugesehen hat, näher heran. Zuerst bin ich erschrocken, dann werde ich richtig panisch. Die Worte Yuan Shikais hallen in mir nach: »Wenn du bis dahin noch nicht befördert worden bist ...« Befördert! Befördert, hat er gesagt. In meinem Herzen regt sich ein Funken Hoffnung. Das heißt doch, daß ich in den Augen Seiner Exzellenz noch immer ein verdienter Beamter bin, daß er mir nicht übel will. Und wenn man es genau bedenkt, habe ich diese Geschichte mit Sun Bing ja zu aller Zufriedenheit gehandhabt. Ganz allein habe ich die Front des Feindes überwunden, habe Sun Bing lebend gefangengenommen und den beiden Armeen Verluste erspart. Bei der gesamten Vorbereitung und Ausführung der Sandelholzstrafe habe ich persönlich das Kommando übernommen, Tag und Nacht hart gearbeitet, binnen kürzester Zeit alle für diese Strafe erforderlichen Utensilien herbeigeschafft und Vorrichtungen aufbauen lassen und sorgsam auf deren Qualität geachtet. Kein anderer hätte das so ausgezeichnet hinbekommen. Möglicherweise, möglicherweise ist Seine Exzellenz Yuan gar nicht so abgefeimt, wie man annimmt; vielleicht ist er ein aufrechter und vorausschauend denkender Mensch. Loyalität wird gerne mit Verrat verwechselt und Weisheit mit Dummheit  – womöglich ist Seine Exzellenz Yuan doch eine verläßliche Säule der Großen Qing-Dynastie. Sei es darum! Ich bin schließlich nur ein kleiner, unbedeutender Präfekt, der von oben Befehle entgegennimmt. Ich tue, was zu tun ist und was meine Pflicht ist. Und was die Belange des Staates angeht, dafür sind Ihre Majestäten die Kaiserinwitwe und der Kaiser zuständig. Ich kleiner Beamter habe mich da nicht einzumischen!
    Ich überwinde mein Zögern und gewinne meinen Schwung zurück, erteile Befehle und teile die Bewacher ein. Die Leute strömen von allen Seiten herbei, man hat den Eindruck, daß die ganze Präfektur erschienen ist. Unzählige Menschen, die im blutroten Glanz der untergehenden Sonne

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