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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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verdient zehntausend Tode!«, der nächste: »Dank sei Eurer kaiserlichen Gnade!«  – kurz, sie gackerten durcheinander wie ein Haufen aufgescheuchter Hühner, und Großmutter Yu und ich machten uns unseren Reim auf die wahre Natur dieser erlauchten Herrschaften.
    Der Kaiser erhob sich. Der alte Eunuch befahl: »Alles bereit zur Rückkehr in den Palast!«
    Der Kaiser verließ die Tribüne.
    Die Kaiserin und die Konkubinen folgten.
    Dann folgten die Eunuchen.
    Übrig blieben die wie hingespuckt wirkenden Minister und der Kleine Wurm, der dalag wie ein erlegter Tiger.
    Mir, deinem Vater, versagten die Beine, Sterne tanzten mir vor den Augen, und hätte Großmutter Yu mich nicht gestützt, wäre ich starr neben der Leiche des Eunuchen niedergesunken.

2.
    Und ihr, wagt ihr es immer noch, mich anzustarren?
    Nach allem, was ich euch erzählt habe, werdet ihr begreifen, warum euer Vater es wagt, sich den Schergen des Yamenzu widersetzen. Ein kleiner Kreispräfekt mit einem Amtsbezirk nicht größer als ein gemahlenes Sesamkorn schickt mir zwei lächerliche Lakaien, die mich mitnehmen sollen  – was glaubt er denn, wer er ist? Ich war noch keine zwanzig, da habe ich Kaiser Xianfeng und der heutigen Kaiserinwitwe Cixi ein Schauspiel geboten, das den ganzen Hofstaat erschütterte. Nach dieser Geschichte erzählte man sich im Palast, der Kaiser habe aus seinem goldenen Mund die folgenden Jadeworte geäußert: »Die Henker des Justizministeriums machen ihre Sache noch immer sehr gut. Sie arbeiten niveauvoll, systematisch und präzise und haben mich fabelhaft unterhalten.«
    Seiner Exzellenz Wang wurde der Titel eines Kronprinzen verliehen, er stieg damit in den Adelsstand auf, was ihn so erfreute, daß er mir und Großmutter Yu noch zwei rote Seidengewänder zum Geschenk machte. Geht hin und fragt einmal jenen Herrn namens Qian, ob er schon einmal dem Drachenantlitz des Kaisers Xianfeng begegnet ist. Natürlich nicht! Und genausowenig kennt er das Antlitz des heutigen Kaisers Guangxu. Und die Kaiserinwitwe? Auch sie hat er selbstverständlich noch nie erblickt. Nicht einmal den Schatten der Kaiserinwitwe hat er je gesehen. Deshalb kann ich, dein Vater, es mir erlauben, mich seinen Befehlen zu verweigern.
    Wartet nur ab. Ich nehme an, daß Seine Exzellenz Qian Ding, Präfekt von Gaomi, höchstpersönlich hier auftauchen wird, um mich zu bitten mitzukommen. Nicht er selbst wird darauf kommen, sich auf den Weg hierher zu machen. Seine Exzellenz Yuan Shikai von der Provinzregierung wird es ihm befehlen. Seine Exzellenz Yuan und ich sind uns schon bei so mancher Gelegenheit begegnet. Ich habe einmal für ihn gearbeitet und zwar sehr gut gearbeitet, so daß er mir als Zeichen seiner Hochachtung eine Schachtel des berühmten Gebäcks aus Tianjins 18. Straße überreichte. Ihr braucht nicht zu glauben, daß euer Vater, nur weil ich während des letzten halben Jahres nicht zum Haupttor und auch zu keinem anderen Tor hinausgegangen bin, irgendein alter Nichtsnutz wäre. Wenn ich hier den Trottel spiele, dann mit voller Absicht. In meinem Herz ist ein Spiegel, der mir die Welt klar und deutlich zeigt, so, wie sie ist. Auch dein außereheliches Techtelmechtel, werte Schwiegertochter, ist ihm nicht verborgen geblieben. Mein Sohn ist unfähig, kein Wunder, daß du dir da einen anderen suchst; du bist eine Frau, du bist jung, und die Jugend ist unersättlich, das ist nichts Absonderliches. Dein eigener Vater hat eine Revolte angezettelt, hat Himmel und Erde in Aufruhr versetzt und man hat ihn ins Gefängnis geworfen. Ich weiß über alles Bescheid. Er ist ein Rebell, dessen Kopf von den Deutschen gefordert wird, und niemand würde sich offen für seine Freilassung einsetzen, niemand in der ganzen Provinz Shandong, von der kleinen Präfektur Gaomi ganz zu schweigen. Daher ist der Tod deines Vaters beschlossene Sache. Yuan Shikai, Seine Exzellenz Yuan, tja, das ist nun wirklich ein unbarmherziger Bursche, für den zählt ein Menschenleben nicht mehr als eine Wanze, die er zwischen den Fingern zerdrückt. Im Moment genießt er bei den Ausländern ein hohes Ansehen und auch die Kaiserinwitwe verläßt sich darauf, daß er die Situation rettet. Ich bin mir ziemlich sicher, daß er deinen Vater dazu benutzen wird, um irgend etwas Hübsches für die Deutschen in Szene zu setzen, und auch für das gemeine Volk in Gaomi und die ganze Provinz Shandong, auf daß sie wieder zur Raison kommen, statt sich als mordende und brandschatzende Räuber zu

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