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Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Titel: Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ritter
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das läuft sowieso immer gleich ab, seit die beiden Anfang zwanzig waren. Frau Adelschlag kauft jedes Jahr einen Tag vor Abfahrt den halben Supermarkt leer und erzählt jedem Dahergelaufenen, wie aufregend es werden wird, jeden Abend Räuber-Rommé im Vorzelt ihres Wohnwagens zu spielen. Ich glaube, sie macht das, seit sie auf der Welt ist, der Stellplatz wurde in der Familie weitervererbt. Und da Frau Seuversholz Frau Adelschlags Cousine ist, kennt sie sich dort auch ganz gut aus. Ihren Männern wurde die Urlaubstradition beim Ja-Wort zusammen mit ihren Frauen an die Hand gegeben.
    Als Entschädigung gab es dafür auch reichlich Äcker.
    Die beiden haben sogar dann weitergetuschelt, wenn wir mal eine Pause eingelegt und eine Partie Kicker gespielt haben. Vielleicht wollen Seuversholz und Adelschlag irgendwas Abenteuerliches mit ihrem angeehelichten Land anstellen oder gar mit ihren geehelichten Frauen oder gar mit beidem in Kombination. Auf jeden Fall haben sie etwas ausgeheckt, und es könnte schlimmer sein als das, was wir vorhaben. Denn bei uns wird, ich kann es nicht oft genug sagen, niemandem etwas passieren, weil alles sanft ablaufen wird, ganz sanft.
    Einen einzigen Zwischenfall gab es, aber der hatte so direkt nichts mit dem Plan zu tun: Katja wollte am Mittwoch einen Asbach-Cola trinken, und obwohl Herr Müller und ich das nicht für die beste Idee hielten, schlossen wir uns ihr aus Gutmütigkeit an. Als wir die Gläschen vom Tresen abholten und, zum Glück, den Inhalt etwas näher betrachteten, als sie vor uns standen, blieb uns zunächst die Spucke weg. »Drosophilidae«, sagte Herr Müller schließlich, schüttelte erst den Kopf in Richtung Wimmu und forderte ihn dann lautstark auf, zu uns an den Tisch zu kommen. In jedem unserer Gläser schwammen mindestens fünf Fruchtfliegen herum, tote Fruchtfliegen, immerhin. Wimmu versuchte zunächst noch, die Schuld auf uns abzuwälzen. Was könne er schon dafür, dass wir nun ausgerechnet einen Asbach trinken wollten, was im Hexenbesen seit Monaten niemand mehr getan habe. Da sei es doch nur logisch, dass in dem Portionierer, der unten an der kopfüber an der Wand hängenden Riesenflasche angebracht ist, lange kein Durchfluss mehr stattgefunden habe und es sich natürlich dort das eine oder andere Insekt gemütlich gemacht habe. Ich fand seine Argumentation ebenso folgerichtig wie unverschämt; Herr Müller hingegen war einseitig für unverschämt und handelte als Wiedergutmachung diverse Freirunden für uns aus. Ohne Asbach, versteht sich. Dies führte dann dazu, dass sich keiner von uns mehr in der Lage sah, ein Auto und die anderen sicher nach Hause zu befördern. Nicht etwa wegen der Polizei, Herr Horb und Herr Scheßlitz waren ja selbst im Hexenbesen, nur zwei Tische neben uns und beim fünften bis sechsten Bier, das spielte also keine Rolle. Aber wir hatten einfach allesamt Angst davor, während der langen Fahrt am Steuer einzuschlafen. Also spazierten wir in den Supermarkt und schliefen im Lager.
    »Ich kann überall schlafen«, sagte Katja, als ich ein paar Haufen Verpackungsmaterial zusammengesammelt hatte und sich allmählich matratzenähnliche Gebilde ergaben. »Aber sanft muss es sein.«
    »Es sollte sowieso immer sanft sein«, sagte Herr Müller, zwinkerte Katja zu und hielt die Hände schützend auf Höhe seiner Brustwarzen.
    In diesem Augenblick wurde mir zweierlei klar: Katja war höchstwahrscheinlich die Soft- SM -Frau aus dem Internet. Gut, dass das endlich geklärt war. Und außerdem …
    »Ich hab’s«, rief ich und sprang aus einem Haufen Ploppfolie empor wie Popeye auf Spinat. »Sanft muss es sein!«
    »Ja, das habe ich eben gesagt«, sagte Katja und klopfte sich ihr Kopfkissen, einen Viererpack Jumbo-Küchenrollen, zurecht.
    »Die Entführung!«, rief ich, noch immer enthusiasmiert wie selten zuvor in meinem Leben.
    »Die Entführung, sie muss sanft sein. Ganz, ganz sanft.«
    Der Rest ist bekannt.
    Am Ende der ersten Werbepause kommt auch Katja zu uns vor den Fernseher. Sie verbreitet einen Duft wie nasses Herbstlaub.
    »Eure Dusche ist übrigens ein bisschen eklig«, meint sie, so als würde sie sagen »Katzen haben vier Beine«. Es ist eine Feststellung, unumstößlich.
    Wenn ich so drüber nachdenke, kann sie durchaus recht damit haben. Wir haben zwar einen Putzplan am Kühlschrank hängen, so einen, wie man ihn von öffentlichen Toiletten her kennt. Datum und Name sind vorgedruckt, dahinter unterschreiben wir, wenn wir unsere Arbeit

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