Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers
getan haben. Aber der Plan ist doch eher Dekoration. Die letzte Unterschrift stammt von mir und ist sechs Wochen alt. Im Laden bin ich sehr viel penibler mit der Sauberkeit, natürlich, aber zu Hause denke ich eben, dass nur ich selbst der Leidtragende bin, und ein bisschen vielleicht auch Herr Müller, wenn mal eine oder zwei Wochen lang nichts gewischt und gewienert wird. Sich beschweren und deshalb nicht wiederkommen kann sonst eben niemand. Die Grundordnung ist immer da, es geht lediglich um die Feinarbeiten in den allen zugänglichen Räumen, zum Beispiel im großen Badezimmer. Dass die Fugen in der Dusche nicht mehr ganz puderweiß sind, ist mir auch schon aufgefallen. Tatsächlich habe ich schon versucht, sie mit einer alten Zahnbürste zu reinigen, aber da sich nicht sofort ein Erfolg eingestellt hat, habe ich es sein lassen. Tief sitzender Schimmel – was will man machen? Der tut keinem weh. Im Käse ist Schimmel etwas Gutes. Erst war er nur punktuell aufgetreten, jetzt sind die Fugen eher schwarz als weiß. Man gewöhnt sich dran.
»Ich krieg das weg«, sagt Katja. »Das macht mir Spaß.«
Fast wäre ich spontan in Jubel ausgebrochen. So mag ich das Zusammenleben. Aber sie wird es schwer haben. Eigentlich ist es ein Ding der Unmöglichkeit, wenn selbst ich schon daran gescheitert bin. Kein einfacher Job.
»Kein einfacher Job«, sage ich.
»Lass mich nur mal probieren. Ich hab da so ein Wundermittel, aus dem Teleshopping. Tiefenreinigung. Das tut man drauf, lässt es ein bisschen länger einwirken, wischt es mit einem trockenen Tuch ab, und schon ist alles weg. Das Zeug würde aus jedem Braunbär einen Eisbär machen.«
Diesen Vergleich finde ich zwar ein bisschen gewagt, aber sie kann gern ihr Glück versuchen. Mittlerweile hat sie so ziemlich alle ihre Utensilien für das tägliche Leben bei uns im Bauernhof verstaut, dazu zählen neben diversen Aufnahmegeräten, die sie immer wieder fleißig bespricht, sich dann selbst anhört und sich freut, und erstaunlich wenig Klamotten (vielleicht habe ich aber bloß nicht alle Koffer gesehen) auch ihre Palette an Putzwundermitteln.
»Ich mach das gleich jetzt«, sagt sie.
»Aber wir schauen doch Jauch«, sagt Herr Müller. »Willst du nicht mitgucken?«
»Den seh ich in nächster Zeit noch oft genug«, sagt Katja, lacht spitz auf und geht nach draußen. Zurück in die Dusche.
»Sie ist wirklich eine Bereicherung«, sage ich.
Herr Müller nickt langsam und ergriffen, als wäre es ein persönliches Kompliment an ihn.
»Sie sind mir ja ’ne Nummer«, sagt Herr Jauch im Fernseher zum aktuellen Kandidaten. Er studiert Sportmarketing und will sich von seinem Gewinn ein Kajak kaufen.
Irgendwann
Ich habe keine Ahnung, wie ich hierhergekommen bin. Herr Müller, Katja und ich stehen an einem Stehtisch vor einer Autobahnraststätte und essen Currywurst mit Pommes. Katja kichert, als sie Herrn Müller das letzte Wurststückchen aus seiner Schale herauspickt. Herr Müller schaut grimmig und grunzt. Ich selbst sehe mich permanent um und fühle mich von allen Tankenden und Rastenden beobachtet und verfolgt.
»Hast du was zu trinken für ihn gekauft?«, fragt Herr Müller.
»Eine Schokomilch im Trinkpäckchen«, sagt Katja.
»Fantastisch«, sagt er.
Sie nicken sich und mir verschwörerisch zu, wir schieben die Pappschalen in das Abfallloch in der Mitte des Tischs und setzen uns in Bewegung. Nebeneinander schlendern wir breitschultrig und mit abweisenden Gesichtern zum Parkplatz. Vor meinem Wagen bleiben wir stehen, Katja und ich positionieren uns als Blickschutz rechts und links hinten am Kofferraum, bevor Herr Müller ihn öffnet. Drinnen liegt Günther Jauch, Arme und Beine gefesselt und den Mund mit schwarzem Klebeband zugeklebt. Herr Müller zückt einen Schraubenzieher aus seiner hinteren Hosentasche, legt einen Finger auf seinen Mund und macht »Pschscht«. Er führt den Schraubenzieher auf Günther Jauch zu und durchsticht das Klebeband mittig mit der Schraubenzieherspitze. Dabei flüstert er »ruhig, brav, alles wird gut« und streichelt Günther Jauch mit der anderen Hand über die zerzauste Frisur. Katja reicht die Schokomilch an, Herr Müller steckt den Strohhalm durch Jauchs frisches Mundloch, und der nuckelt das schmackhafte, pasteurisierte Gesöff in sieben Zügen leer. »Brav«, sagt Herr Müller wieder, nimmt das Päckchen zurück und winkt zu Günther Jauch hinunter. Katja und ich schließen uns an, wir winken zu dritt in den Kofferraum. Dann
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