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Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Titel: Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ritter
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greift Herr Müller nach oben und knallt ihn beherzt zu. Niemand hat etwas mitbekommen, rundherum ist es still.
    »Das haben wir gut gemacht«, sagt Katja.
    Der Wackeldackel hinter der Heckscheibe signalisiert seine Zustimmung durch Nicken.
    Dann wird alles schwarz.
    »Paul! Paul!«
    Es ist ganz, ganz leise. Es ist weit, weit weg.
    »Pahaul!«
    Ich schaffe es, die Augen ein ganz kleines bisschen zu öffnen. Nein. Nur das linke. Es macht Bumm-Bumm.
    Bumm-Bumm-Paul. Bumm-Bumm-Paul.
    Ich sehe einen Siphon. Etwas staubig. Könnte mal abgewischt werden. Man schaut sich viel zu selten bewusst Siphons an, denke ich, und mache das Auge wieder zu. Ich sehe konzentrische Kreise in Regenbogenfarben, rechts größer als links. Das muss der Himmel sein. Es ist wohl so weit, und es fühlt sich gar nicht schlimm an. Da ist der Tunnel.
    Bumm-Bumm-Paul. Bumm-Bumm-Paul.
    Wo ist bloß das Licht am Ende?
    Bumm-Bumm-Paul. Bumm-Bumm-Paul.
    Wo ist Oma Ruth, die mir zur Beruhigung ein Mon Cheri in den Mund steckt, wie sie es immer gemacht hat, wenn ich ihr zu quengelig war?
    Bumm-Bumm-Paul. Bumm-Bumm-Paul.
    Wo ist Herr Puschel, mein Grundschul-Kaninchen? Er könnte mir endlich die Umstände seines mysteriösen Todes während meiner nur einwöchigen Abwesenheit auf einer Skifreizeit erklären.
    »Paul, ich komm jetzt rein! Geh von der Tür weg.«
    Bumm-Bumm- BUMM .
    Herr Müller landet ein Stück vor mir auf dem Boden und schreit wie die Kuh beim Kalben.
    »Meine Schulter! Aiiiiiiaaaaiiiiii!«
    Katja stürmt hinter ihm her, nimmt ihn und mich als Hürde, überspringt uns elegant und reißt das Badezimmerfenster auf, dazu kreischt sie: »Frischluft! Frischluft!«
    Wie ich das alles mitbekommen kann, ist mir ein Rätsel. Ich sehe es plastisch vor mir, obwohl ich die Augen nach wie vor geschlossen habe. Vielleicht bin ich wirklich schon aus meinem Körper gefahren.
    Katja dreht das Wasser am Waschbecken auf, formt eine Schale mit ihren Händen und schippt es mir portionsweise ins Gesicht. Ich werde klarer. Ich spüre mich wieder.
    »Das ist alles meine Schuld!«, kreischt Katja.
    »Es – is – alls – in – Oang«, sage ich.
    »Ich glaub, meine Scheißschulter ist gebrochen«, ächzt Herr Müller. »Diese Scheißtür.«
    »Wir fluchen nicht«, sagt Katja.
    Dienstag, 7.35
    Herrn Müllers Schulter ist nicht gebrochen. Er ist nur verdammt wehleidig. Wie immer eben. Ständig den harten Hund markieren, aber bemitleidet werden wollen, wenn er sich mal unvorteilhaft den Musikantenknochen anstößt. Mit einem ordentlichen Flatsch Pferdesalbe wird er in ein paar Stunden wieder völlig schmerzfrei sein.
    Aber der Schock sitzt bei uns allen noch tief. Wir kauen unsere Marmeladenbrote sehr langsam. Und plötzlich geht mir ein Licht auf. Ach was, kein Licht, ein Lüster.
    »Das war fantastisch. Das war genial«, sage ich.
    »Es war genial, dass du ohnmächtig geworden bist?«, fragt Herr Müller.
    »Es hat mir die Augen geöffnet«, sage ich.
    »Noch nicht so ganz, dein rechtes Auge ist ein bisschen zugeschwollen«, sagt er.
    »Ich habe das letzte Puzzlestück gefunden. Was haben wir noch überhaupt nicht bei unserem Plan bedacht?«, frage ich.
    Herr Müller und Katja glotzen. Die Milchkanne vor ihnen wirkt in diesem Moment intelligenter als beide zusammen. Sie begreifen nicht.
    »Wie kommst du denn jetzt plötzlich auf den Plan?«, fragt Katja.
    »Wie wir ihn betäuben!«, rufe ich und haue triumphierend auf den Tisch. »Wenn dein Wunderputzmittel mich umhaut, sobald ich nur ein paar Sekunden im Badezimmer bin …«
    »Weil sie es die ganze Nacht lang draufgelassen und nicht gelüftet hat«, wirft Herr Müller ein.
    »Ja, das wissen wir schon, ich bin schuld«, zickt Katja.
    »Nicht in geschlossenen Räumen verwenden, steht extra auf der Packung!«, zickt Herr Müller zurück.
    »Ruhe jetzt! Wenn das Zeug mich umhaut, nur weil es sich über Nacht im Badezimmer ausgedampft hat, dann ist das das ideale Betäubungsmittel. Sogar in kleineren Dosen.«
    Stille. Herr Müller beißt in sein Brot.
    »Katja, du bist genial«, sage ich.
    »Und die Fugen sind auch wieder weiß«, fügt sie hinzu. Sie strahlt.
    »Ich finde, wir sollten das noch mal gegenchecken«, sagt Herr Müller nachdenklich.
    Damit hatte ich nun nicht gerechnet. Aber er hat recht, der Plan sollte schon perfekt sein.
    »Okay, ich hab den Anfang gemacht«, sage ich. »Wer will als Nächstes umfallen?«
    Stille. Herr Müller und Katja beißen in ihre Brote.
    »Staturmäßig bin ich wohl leider am

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