Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers
diese Frage, und kaum hat sie bejaht, sind Herr Müller, Herr Jauch und ich herunter von den Kühen, am nächsten Baum angelangt und erleichtern uns, begleitet von genussvollen Geräuschen. Rosamunde macht Muh.
»Meine Cowboys«, sagt Katja stolz.
Mittwoch, 20.15
Die Kühe sind längst wieder im Stall. Wir Menschen haben uns für einen gemütlichen Fernsehabend entschieden. Es gab gar nicht so viele Alternativen. Katja wurde das Vorlesen nach einer Weile zu anstrengend, und dann machte das Zuhören auch keinen Spaß mehr. Zu mehr, als schlaff auf den Sofas zu hängen, sind wir alle nicht mehr fähig. Das Federballspiel hat seine Nachwirkungen mittlerweile voll entfaltet, ich habe schrecklichen Muskelkater, Herr Jauch und Katja stehen auch offen dazu, Herr Müller markiert wie üblich den Harten und streitet alles ab. Das Ächzen bei manchen Bewegungen kann er aber nicht unterdrücken.
»Weiter, bitte«, sagt Herr Jauch.
Ich halte die Fernbedienung in der Hand und zappe nach seinen Vorgaben durch die Programme.
»Stopp! Nein, doch weiter. Stopp! Ach, ist das alles schrecklich. Weiter, bitte!«
»Ich sehe mir ja gerne Zoodokumentationen an«, sagt Katja.
»Damit kann man wunderbar ganze Nachmittage totschlagen«, sagt Herr Jauch, »aber um diese Zeit werden wir da nicht viel Glück haben. Im Sommer laufen doch nur uralte Spielfilme und bescheuerte, zusammengeschnittene Rankingshows.«
»Die da zum Beispiel«, sage ich und bleibe für einen Moment bei Die 40 gruseligsten Burgen Hessens .
»Weiter, bitte!«, sagt Herr Jauch.
Die 60 beliebtesten Volkslieder der Norddeutschen.
»Weiter, bitte!«
Günther Jauch.
»Die Show war vor fünf Wochen. Warum wiederholen die das denn immer noch? Ich sehe mich außerdem gar nicht gern im Fernsehen. Es genügt, wenn ein paar Millionen andere das tun.«
Kein Stück eitel, der Mann, ich hatte es schon erwähnt.
»Ist das nicht eigentlich total aufregend?«, fragt Katja. »Jeden Tag Kameras vor sich, und man selbst ist der Wichtigste. Ich finde die Leute im Fernsehen schon faszinierend.«
»Ich sag Ihnen mal was«, sagt Herr Jauch. »Wie es da hinter den Kulissen zugeht bei den meisten Sendungen, das möchten Sie gar nicht wissen. Das ist ein Hauen und Stechen, ein ständiges Kaffeegesaufe und Rumgehänge ohne Ende. Von den Fernsehleuten ist einer miesepetriger als der andere, aber alles die größten Strahlemänner, solange das Rotlicht an der Kamera an ist. Ich kann mit meinen Sendungen ganz zufrieden sein, eigentlich, aber man weiß ja, wie es bei den Kollegen zugeht. Das ist … nicht schön. Jetzt schalten Sie mich doch mal weg, Paul.«
Wir bleiben schließlich bei einer Dokumentation über Weinanbau in Spanien hängen, die Herr Jauch unbedingt sehen will und die ich sehr Ruhe ausstrahlend finde. Das Gespräch verstummt. Herr Müller ist, glaube ich, schon länger vor Erschöpfung eingeschlafen. So geht das nun jeden Tag. Wie im Ferienlager, wenn man viel erlebt hat.
Überhaupt ist das alles so seltsam harmonisch. Wir könnten in einer Werbung für Grillwürste oder Luftpumpen als moderne Familie ums Lagerfeuer herumsitzen, so harmonisch läuft es.
Meine größte Angst ist, dass doch irgendwas an der Sache nicht stimmt, dass es doch einen Haken gibt, ein böses Erwachen. Ich fürchte, dass bald etwas Schlimmes passieren wird. Im Fernseher stampfen Spanier Weinbeeren.
Donnerstag, 8.30
Es fühlt sich an, als würde ich auf meinem kleinen Kutter in leichte Seeturbulenzen geraten. Nicht allzu schlimm, ein kleiner Wind, ich woge hin und her. Aber doch irgendwie unangenehm, da es sich fremdbestimmt anfühlt. Das ist nicht der Wind, der mich wiegt. Ich öffne die Augen. Es ist Herr Müller.
»Was ist denn los?«
»Da ist jemand am Telefon für dich. Einer mit einem französischen Namen. Vielleicht ruft er von weit weg an. Ist sicher wichtig.«
»Das ist der Laden. Gib das Telefon her!«
Herr Müller gibt es mir und geht nach draußen, wahrscheinlich weiter mit Herrn Jauch frühstücken oder Morgensport machen. Ich richte mich im Bett auf, räuspere mich kurz, na ja, eher länger, und wende mich meiner Urlaubsvertretung zu.
»Guten Morgen, Etienne. Was gibt’s denn?«
»Es ist was mit Frau Rottenbauer.«
»Um Gottes willen! Was ist mit ihr?«
»Sie ist vom Stuhl gefallen.«
»Was? Das ist ja schrecklich!«
»Und ich glaube, sie hat sich die Hüfte gebrochen oder so.«
»Dann ruf einen Krankenwagen!«
»Das hab ich doch schon.«
»Und wieso rufst du mich
Weitere Kostenlose Bücher