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Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Titel: Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ritter
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große Pause genutzt, danach noch ein Match gespielt und uns schließlich einstimmig entschieden, dass uns allen Entspannung und etwas Alkohol guttäten. Also sind wir da gelandet, wo wir sind. Im Planschbecken. Mit den Füßen. Auf der Suche nach bequemem Gartenmobiliar sind wir alle zusammen zum nochmaligen Durchwühlen in den Keller gegangen, haben oben auf einem Regal das Becken gefunden, es aufgepumpt, auf eine der Spielhälften des Federballfelds gestellt und mit dem Gartenschlauch aufgefüllt. Einen Stuhl für jeden drumrum, Füße rein, fertig, fantastisch.
    Alle halbe Stunde geht einer von uns nach drinnen, um neue Margaritas zu mixen.
    »Hach, das ist ein Leben!«, sagt Günther Jauch. »So gute Margaritas hatte ich zuletzt auf Madeira, bei einem kleinen Betriebsausflug mit den ARD -Talkern. Anne Will macht sich an der Bar wirklich gut.« Er streckt seinen unsportlichen Lulatschkörper ordentlich durch. Aus Richtung Rücken knackt es hörbar. Er stöhnt zufrieden auf und lässt sich richtig tief in seinen Stuhl sacken.
    Wir sind dazu übergegangen, nicht physisch anzuprosten, weil man sich dafür zu oft erheben müsste. Wir heben einfach die Gläser, sagen »Prosit«, »Cheers« oder »Egészségedre«, da Katja irgendwelche ungarischen Wurzeln besitzt, wie sie erklärt hat, und trinken alle miteinander recht zügig. Im Himmel könnte es nicht entspannter zugehen.
    Und eigentlich ist das hier der Himmel für mich. Günther Jauch hing jahrelang nur als Autogrammkarte an unserer Wand und war so unglaublich weit weg. Als ich Kandidat war, war unser Aufeinandertreffen auch nicht unbedingt intim. Und jetzt das! Wir haben zusammen Sport getrieben, trinken zusammen und haben die Füße im selben Planschbecken! Ich kneife mich heimlich, um mir zu beweisen, dass ich nicht träume. Das habe ich schon recht oft gemacht, seit ich vor dem auf unserer Couch schlafenden Günther Jauch saß und ihn bewundert habe. Ich habe bereits vier blaue Flecken am Arm.
    »Herr Jauch?«, sagt Herr Müller.
    »Hmmm?«, fragt er in seinem Stuhl hängend zurück, mit den Augenlidern auf halbmast. Er ist auch sehr entspannt.
    »Ich hätte ja nicht gedacht, dass ich das mal sage«, sagt Herr Müller, »aber«, er hebt sein Glas, »ich bin Heidemar.«
    Katja zuckt zusammen. Dass sie es ausgerechnet auf diese Weise erfahren muss, so indirekt … das arme Mädchen!
    »Das ist schön«, sagt Herr Jauch, »den Namen finde ich gut.«
    »Ich wollte damit sagen«, fährt Herr Müller fort, »da wir uns jetzt schon ein bisschen kennen und wir noch ein bisschen mehr Zeit miteinander verbringen werden, da könnten wir uns doch duzen.«
    Herr Jauch überlegt einen kurzen Moment.
    »Die Idee ist an sich überzeugend. Aber ich bin kein großer Duzer.«
    Damit scheint die Unterredung seinerseits beendet. Die Enttäuschung trifft Herrn Müller mitten ins Gesicht. Er wurde abgewiesen. Ich vertiefe mich in mein Glas, um mich nicht großartig in das Gespräch involvieren zu müssen.
    »Das ist aber schade«, sagt Katja leicht vorwurfsvoll. Sie fühlt sich anscheinend mit gekränkt. Vielleicht ist auch ihr Bedauern über Herrn Müllers Vornamen so groß, dass sie ihm nicht noch weitere Rückschläge zumuten will.
    »Das ist nicht gegen Sie gerichtet«, sagt Herr Jauch, »eigentlich duze ich so ziemlich niemanden … außer meiner Frau … und Thommy Gottschalk. Ich sag Ihnen mal was.«
    Er räkelt sich in eine etwas aufrechtere Position. »Ich sag Ihnen mal was. In Potsdam wohne ich seit Jahren neben Wolfgang Joop. Das ist eine gepflegte Nachbarschaft, und ab und an lädt man sich zum Essen ein oder trifft sich mit dem Boot auf dem See oder einfach bei einem von uns zu Hause, um mit der Modelleisenbahn zu spielen. Aber ich würde nie im Leben auf die Idee kommen, Wolfgang Joop zu duzen oder es ihm überhaupt anzubieten. Wie klingt das denn? Hallo Günther, hallo Wolfgang. Das hat doch kein Flair. Das klingt, wie wenn man morgens um fünf zusammen runter ins Bergwerk fährt. Nein, ich finde das einfach irgendwie schick, wenn man sich siezt. Außerdem mag ich meinen Vornamen gar nicht so sehr. Das können Sie sicherlich nachvollziehen, Herr Müller.«
    Herr Müller denkt kurz über Jauchs Ausführungen nach und stimmt am Ende zu. Ich habe den Eindruck, hundertprozentig überzeugt ist er nicht, aber er will kein Unruhestifter sein. Die ganze Situation ist grade so schön kontrolliert.
    »Dann bleiben wir einfach dabei. Prost, Herr Jauch!«
    »Prost, Herr

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