Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers
schnellstmöglich unsere Kühe besteigen. Beim zweiten Versuch klappt es auch erstaunlich gut, bei beiden von uns. Wir haben Halt gefunden, ich befinde Joanne Ks Rücken für etwas sehr knochig, aber dafür kann sie nichts, es ist ja auch nicht ihre Aufgabe, sich reiten zu lassen und einen dafür angemessenen Körper auszubilden.
»Nun sitzen wir da«, sagt Herr Jauch.
Herr Müller und ich nicken einmütig. Männer, die auf Kühen sitzen.
»Hüa«, sagt Herr Jauch. Rosamunde regt sich kein Stück.
»Ich hole mir mal einen Stuhl«, sagt Katja.
Ich fummle umständlich meine Zigaretten aus der Tasche und stecke mir eine an. Mit rechts rauche ich, mit links streichle ich Joanne K zwischen den Ohren. Sie macht muh.
»Warum bewegen die sich nicht?«, fragt Herr Jauch.
»Weil sie sich noch nie bewegt haben«, erklärt Herr Müller. »Kühe stehen hauptsächlich in der Gegend herum, grasen und geben Milch. Dass sie nun plötzlich wild herumspringen sollen, nur weil jemand auf ihnen draufsitzt, haben wir vergessen, ihnen beizubringen.«
»Dann warten wir eben, bis sie von selbst darauf kommen«, sagt Herr Jauch, »es ist ja schon eine Herausforderung für sich, hier oben die Balance zu behalten.«
Da kann ich ihm nur eingeschränkt zustimmen. Bequem ist es nicht, wie gesagt, aber die Balance ist kein Problem.
»Ich könnte euch was vorlesen«, sagt Katja.
Joanne K und Helene machen Muh.
»Ich sehe mal nach, ob ich drinnen ein gutes Buch finde«, sagt sie und geht.
»Wie haben Sie sich eigentlich kennengelernt?«, fragt Herr Jauch Herrn Müller, als sie weg ist.
Herr Müller überlegt einen Moment. Ob er jetzt wohl mit dem Soft- SM -Forum herausrückt?
»Sie hat sich ein Lied gewünscht. Ich bin DJ .«
Schade.
»Welches Lied?«, hakt Herr Jauch investigativ nach.
»Das tut nichts zur Sache.«
»Kenne ich gar nicht«, sagt Herr Jauch. »Von wem ist das?«
Er zwinkert mir zu. Von Kuh zu Kuh.
Mittwoch, 17.00
Der Harndrang. Bei der Planung unseres Contests haben wir den Harndrang vergessen. Wir haben heute alle nicht wenig getrunken. Dafür haben wir alle auch gedacht, es ginge schneller vorbei. Die Kühe bewegen sich einfach nicht, da kann man nichts machen. Und im Gegensatz zu uns verrichten sie ihr Geschäft schamlos an Ort und Stelle. Jede von ihnen hat schon abgeflatscht, nicht nur einmal. Der leichte, warme Sommerwind weht aber günstig, also ist es zum Glück keine zusätzliche Erschwernis unseres Wettbewerbs. Ich halte es vielleicht noch zehn Minuten aus, dann muss ich runter und an den nächsten Baum. Die Gesichter meiner Kontrahenten verkünden Ähnliches. Katja liest uns vor. So etwas sollte man öfter machen. Lesen und sprechen kann sie gut, und ich lasse mir gerne vorlesen. Das letzte Mal ist allerdings etwa zwanzig Jahre her. Die Lektüre ist auch nicht schlecht, »Ansichten eines Clowns« von Böll. Recht spannend, zu Beginn zumindest. Es gab nicht viel Auswahl an Literatur im Haus, und die Comics eignen sich einfach schlecht zum Vorlesen. Katja kam mit der Bibel, dem Böll und dem Struwwelpeter an, da waren wir uns schnell einig. Jetzt sind wir vielleicht so bei Seite zwanzig, keine Ahnung, ich halte das Buch ja nicht in Händen. Bei einem Hörbuch weiß man auch nicht, auf welcher Seite man im Moment ist. Der Clown berichtet jedenfalls von Existenzschwierigkeiten im Kleinkunstgewerbe. Die Gage wurde ihm vorenthalten, weil er nicht lustig war, sondern sehr betrunken, und das führte zu schlechtem Timing, wie schon öfter in letzter Zeit. Für mich ist das eine völlig fremde Welt. Dieses Herumgereise und Aufgetrete. Aber genau deshalb höre ich mir eine solche Geschichte gerne an. Was würde es mir bringen, ein Buch über einen Supermarktverkäufer oder über Wer wird Millionär oder die Entführung von Günther Jauch zu lesen? Kenn ich ja alles, ist ja mein Leben, wäre total langweilig.
»Ich schlage vor, wir einigen uns auf ein Unentschieden«, sagt Herr Jauch, dem man ansieht, dass er seine Beine gerne sehr eng zusammenpressen würde, wäre nicht eine ganze Kuh dazwischen.
»Gott sei Dank«, sagt Herr Müller, obwohl er sich vorhin noch vehement gegen die Bibel als Lektüre ausgesprochen hat.
Auch ich habe nichts gegen Herrn Jauchs Vorschlag einzuwenden. Dann haben wir eben alle verloren und feilen morgen Katjas Fingernägel, meinetwegen.
»Aber Sie lesen uns auch weiter vor, wenn wir von den Kühen abgestiegen sind, Katja?«, fragt Herr Jauch.
Sie freut sich augenscheinlich über
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