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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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die Nerven, eine solche Mail zu verfassen. Außerdem wusste sie bestimmt nicht, wie man ein EKG richtig ablas.
    Von allen drei Frauen war Mandy vermutlich diejenige, die eine Änderung auf dem EKG-Monitor bemerkt und darüber hinaus richtig gedeutet hätte. Mandy hatte an jenem Tag in der Tagesklinik zu tun gehabt, direkt gegenüber vom Einzelzimmer. Sie hatte Dawn immer den Rücken zugekehrt, aber Dawn hatte sie nicht durchgängig im Auge behalten. Vielleicht hatte Mandy sich umgedreht, ohne dass Dawn es bemerkt hatte. So ein Skandal käme Mandy gerade recht. Sie liebte es zu klatschen; je pikanter ein Gerücht war, desto besser. Sie konnte sogar richtig gemein werden, wenn das den Unterhaltungswert steigerte.
    Andererseits arbeitete sie seit fast drei Jahren auf Dawns Station. Sie konnte gut mit den Patienten umgehen und war
freundlich und aufgeschlossen, auch wenn ihr manchmal eine Kleinigkeit entging. Dawn arbeitete wirklich gern mit ihr zusammen. Oder doch nicht? Eine alte Erinnerung kam hoch: Vor einigen Monaten hatte Dawn Mandy gebeten, sich beim Blutdruckmessen nicht zu den Patienten aufs Bett zu setzen. Die normalerweise so gelassene Mandy hatte daraufhin einen Wutanfall bekommen.
    »Machen Sie mir keine Vorschriften. Wenn ich nicht alleinerziehende Mutter wäre, würde ich längst eine eigene Station leiten. Sparen Sie sich den besserwisserischen Tonfall. Ich lasse mich nicht wie eine Idiotin behandeln.«
    Dawn hatte der Ausbruch vollkommen überrascht. Sie hatte nicht überheblich klingen wollen, aber als Oberschwester war es ihre Pflicht, dafür zu sorgen, dass keine Krankheiten von einem Bett zum nächsten übertragen wurden. Sicher hatte Mandy dafür Verständnis. Wie dem auch sei, ihr Ärger schien schnell verflogen zu sein. Schon am nächsten Tag hatte sie sich Dawn gegenüber wieder so fröhlich wie immer verhalten. Hatte sie insgeheim einen Groll zurückbehalten? Wäre er groß genug, um einen so perfiden Plan auszuhecken?
    Dawn ließ es dabei bewenden und wandte sich dem E auf dem Zettel zu. Sie hatte sich Elspeth bis zuletzt aufgespart, weil sie sich in ihrem Fall nicht ganz sicher war. Elspeth war noch jung und hatte ihre Ausbildung erst vor wenigen Jahren abgeschlossen. Dawn konnte sich an keine offene Auseinandersetzung erinnern; Elspeth war eine fähige Krankenschwester, die aber nur das tat, was sie als absolut notwendig erachtete. Immer wieder waren Dawn kleine Nachlässigkeiten aufgefallen. Einmal zum Beispiel hatte sie Elspeth bitten müssen, einen Patienten zu säubern, der sich übergeben hatte, und später hatte Elspeth zu Mandy gesagt: »Für wen hält sie mich? Ich habe keine Ausbildung gemacht,
um hier die Putzfrau zu spielen.« Elspeth meldete sich oft und gern krank, besonders montags oder freitags, und dann mussten ihre Kolleginnen in letzter Minute für sie einspringen. Erst neulich hatte Dawn sich gezwungen gesehen, sie deswegen zur Rede zu stellen und zu verwarnen. Bei der nächsten Krankmeldung würde Elspeth ein ärztliches Attest vorlegen müssen. Später an dem Tag hatte Dawn gehört, wie sie sich in der Kantine bei einer anderen Krankenschwester ausgeweint hatte.
    »Sie hat kein eigenes Leben«, hatte Elspeth sich beschwert. »Das ist jämmerlich. Ständig hängt sie hier rum und schaut uns auf die Finger, obwohl ihre Schicht längst zu Ende ist.«
    »Du meinst, sie ist so was wie eine alte Jungfer?«, hatte die andere Krankenschwester gemeint. »Vielleicht ist sie nur deswegen Krankenschwester geworden, weil sie das Gefühl liebt, gebraucht zu werden.«
    »Wahrscheinlich. Aber versprich mir eins: Wenn ich in ihrem Alter immer noch hier schufte, musst du mich erschießen.«
    Dawn verzog den Mund. Tja, da brauchte Elspeth sich keine Sorgen zu machen. Aus ihr würde niemals eine Oberschwester werden. Dazu war sie viel zu unzuverlässig. Wenn sie mit Clive zusammen Dienst tat, saßen die beiden am liebsten im Pausenraum herum, so auch an dem Tag, als Jack Benson fast gestorben wäre. Außerdem erinnerte Dawn sich daran, dass Elspeth tatsächlich einen Abschluss vorweisen konnte, ihre Noten jedoch nicht einmal durchschnittlich waren. Erst kürzlich hatte Clive ihr erklären müssen, wie die seltsamen Ausschläge auf dem EKG-Monitor zu deuten waren.
    Dawn starrte auf den zerknitterten Zettel hinunter.
    Clive.
    Von allen Pflegern und Schwestern der Station würde sie
ihm am ehesten eine Erpressung zutrauen. Er kannte sich gut mit den Geräten aus, so wie mit allen technischen

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