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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Folgen, noch zurückkommen würde; im Augenblick hatte er Wichtigeres zu erledigen.
    Ich bin die Inkarnation des Bösen, dachte er. Damit musste er sich abfinden. Wie es auch pas siert sein mochte, es ließ sich nicht bestreiten. »Ich bin nicht mehr, oder nicht nur, ich selbst.
    Ich bin die Verkörperung des Schlechten, des Hassenswerten, der Sünde.
    Warum? Warum ich?
    Was hatte er Böses getan, welche Gemeinheiten konnte, würde er begehen?
    Wofür - dieses Gedankens konnte er sich nicht erwehren - wurde er bestraft? Und, we nn er schon dabei war: von wem? (Ich hielt den Mund.)
    Hatte er nicht seine eigene Idee des Guten verfolgt, danach gestrebt, das zu werden, was er am meisten bewunderte, sich mit einer an Obsession grenzenden Entschlossenheit daran gemacht, ein richtiger Engländer zu werden? Hatte er nicht hart gearbeitet, allen Ärger vermieden, sich angestrengt, etwas Neues zu werden? Beharrlichkeit, hohe Ansprüche, Mäßigung, Disziplin, Selbstvertrauen, Redlichkeit, Häuslichkeit: worauf lief das alles hinaus, wenn nicht auf einen Sittenkodex? War es seine Schuld, dass Pamela und er keine Kinder hatten? War er für die Genetik verantwortlich? Konnte es sein, in dieser auf den Kopf gestellten Zeit, dass er vom Schicksal - so wollte er das ausführende Organ nennen - eben wegen seines Strebens nach »dem Guten« bestraft wurde? Dass ein solches Streben heutzutage als absonderlich, ja sogar schlecht galt? Wie grausam war dieses Schicksal dann, das veranlasste , dass er aus dieser Welt gejagt wurde, um die er so entschlossen geworben hatte; wie deprimierend, einer Stadt verwiesen zu werden, die man glaubte schon längst erobert zu haben! Welch niederträchtige Kleinkariertheit, ihn an den Busen seines Volkes zurückzustoßen, dem er sich schon so lange entfremdet hatte!
    Gedanken an Zeeny Vakil stiegen an dieser Stelle auf, und schuldbewusst , nervös unterdrückte er sie.
    Sein Herz trat heftig nach ihm, und er setzte sich auf, beugte sich vornüber, rang nach Luft. Beruhige dich, oder du bist geliefert. Keine belastenden Gedanken mehr! Er holte tief Luft, lehnte sich zurück, leerte seinen Kopf. Der Verräter in seiner Brust nahm den normalen Betrieb wieder auf.
    Schluss jetzt, sagte sich Saladin Chamcha nachdrücklich. Hör auf, dich schlecht zu finden. Der Schein trügt, der Schutzumschlag sagt nichts über die Qualität eines Buches.
    Teufel, Ziegenbock, Schaitan? Ich nicht.
    Ich nicht. Jemand anders.
    Wer?
    Mishal und Anahita kamen mit Frühstück auf dem Tablett und Aufregung im Gesicht. Chamcha stürzte sich auf Cornflakes und Nescafé , während die Mädchen, nach einigen Momenten der Schüchternheit, simultan und pausenlos auf ihn einschnatterten.
    »Also, du hast ja für ganz schöne Aufregung hier gesorgt, echt.« -»Du hast dich in der Nacht nicht zurückverwandelt, oder?« -»Sag mal, ist das ein Trick oder was? Ich mein’, ist das ein Kostüm oder so was Theatermäßiges? Ich mein’, Jumpy sagt, du bist Schauspieler, und ich hab’ gedacht, also…« und hier verstummte die junge Anahita, weil Chamcha, Cornflakes spuckend, voller Wut aufheulte: »Kostüm? Theater? Trick?«
    »Schon gut, schon gut«, sagte Mishal eifrig in Vertretung ihrer Schwester. »Es ist bloß so, wir haben uns überlegt, weißt du ähm, es wär doch furchtbar, wenn du’s nicht wärst, aber du bist es, klar, du bist’s also, das ist schon okay«, beendete sie hastig den Satz, da Chamcha sie erneut anfunkelte. »Die Sache ist die«, nahm Anahita den Faden auf, stockte, »ich mein’, ähm, wir finden, es ist toll.« - »Gemeint bist du«, verbesserte Mishal. »Wir finden dich toll, verstehst du.«
    »Scharf«, sagte Anahita und strahlte den verwirrten Chamcha an. »Phantastisch, ähm, stark!«
    »Wir haben die ganze Nacht nicht geschlafen«, sagte Mishal.
    »Haben uns was überlegt.«
    »Und zwar«, Anahita zitterte vor Aufregung, »wo du dich doch verwandelt hast - in, äh… was du jetzt bist, vielleicht, also, wahrscheinlich, äh, selbst wenn du’s noch nicht probiert hast, es könnte ja sein, dass du…« Und das ältere Mädchen führte den Gedanken zu Ende: » Dass du bestimmte, du weißt schon, Kräfte entwickelt hast.«
    »Jedenfalls haben wir uns das so gedacht«, fügte Anahita zaghaft hinzu, als sie sah, wie Chamchas Stirn sich umwölkte.
    Und sagte noch, während sie rückwärts zur Tür ging: »Aber wahrscheinlich haben wir uns geirrt. Ja. Wir haben uns bestimmt geirrt. Guten Appetit noch!« Bevor Mishal

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