Die Satanischen Verse
jedenfalls den Versuch.
Die Dinge (weil es Dinge waren) entwickelten sich nicht ganz wie geplant. Allie missfiel , wie sehr Sisodia, Battuta und Mimi sich in Gibrils Leben breitmachten, über seine Garderobe und seinen Tagesablauf bestimmten und ihn mit der Erklärung, dass »imagemäßig« die Zeit noch nicht reif sei für eine »feste Beziehung«, aus Allies Wohnung herausholten. Nach dem Auftritt im Ritz bekam der Filmstar drei Zimmer in Sisodias großzügiger, durchgestylter Wohnung, die sich in der Nähe von Grosvenor Square in einem alten, herrschaftlichen Häuserblock mit Art-Deco-Marmorfliesen auf den Fußböden und dezent gehaltenen Wänden befand. Gibrils passives Hinnehmen dieser Veränderungen war für Allie das, was sie am meisten in Rage brachte, und sie begann, die Dimension seines früheren Entschlusses zu verstehen, als er alles, was ihm offensichtlich zweite Natur war, um ihretwillen aufgegeben hatte. Würde er sie jetzt, da er zurücksank in jenes Universum von bewaffneten Leibwächtern und kichernden Zimmermädchen mit Frühstückstabletts, ebenso dramatisch fallenlassen wie er in ihr Leben getreten war? Hatte sie mitgeholfen, seine umgekehrte Heimkehr in die Wege zu leiten, an deren Ende sie einsam und verlassen dastehen würde? Gibril starrte sie aus Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehgeräten heraus an, mit den unterschiedlichsten Frauen am Arm, einfältig grinsend. Sie war wütend, doch er weigerte sich, es wahrzunehmen. »Warum machst du dir Gedanken?« winkte er ab und sank in ein Ledersofa von der Größe eines kleinen Lieferwagens. »Es sind doch nur Fotos: Business , mehr nicht.«
Das Schlimmste: er wurde eifersüchtig. In dem Maße, wie er von den starken Medikamenten loskam und ihnen seine (und auch ihre) Arbeit Trennungen aufzwang, ergriff wieder jenes irrationale, unkontrollierbare Misstrauen von ihm Besitz, das den lächerlichen Streit über Brunels Geschenke ausgelöst hatte.
Wenn sie sich sahen, nahm er sie jedes Mal in die Zange, unterzog sie einem minuziösen Verhör: wo sie gewesen sei, mit wem sie sich getroffen habe, sie solle ihm nichts vormachen.
Es kam ihr vor, als würde sie ersticken. Seine Geisteskrankheit, die neuen Einflüsse in seinem Leben, und jetzt diese nächtlichen Folterverhöre: es war, als würde ihr wirkliches Leben, das Leben, das sie führen wollte, für das sie gequält wurde und kämpfte, tiefer und tiefer unter dieser Lawine von Unrecht begraben. Was ist mit meinen Bedürfnissen? wollte sie schreien. Wann wird mal nach meiner Pfeife getanzt? An den Rand ihrer Selbstbeherrschung getrieben, blieb ihr als letzter Ausweg nur noch, ihre Mutter um Rat zu fragen. Im ehemaligen Arbeitszimmer ihres Vate rs im Haus in der Moscow Road - Alicja hatte es genauso gelassen, wie Otto es gefallen hatte, außer, dass jetzt die Vorhänge aufgezogen waren, so dass hereinfallen konnte, was England an Licht hervorbrachte, und an strategischen Stellen standen Blumenvasen - hatte Alicja zunächst nicht viel mehr als Resigniertheit zu bieten. »Die Lebenspläne einer Frau werden also von einem Mann zu Fall gebracht«, sagte sie, nicht unfreundlich. »Dein Geschlecht heißt dich willkommen! Ich sehe, du bist es nicht gewohnt, nicht mehr weiter zu wissen.« Und Allie gestand: sie wolle sich von ihm trennen, sehe sich aber außerstande. Nicht bloß wegen des Schuldgefühls, einen wirklich kranken Menschen allein zu lassen, auch wegen der »großen Leidenschaft«, wegen des Wortes, das noch immer ihre Zunge verbrannte, wenn sie es aussprechen wollte. »Du willst sein Kind«, Alicja legte den Finger darauf. Zuerst brauste Allie auf: »Ich will mein Kind«, aber dann gab sie plötzlich nach, putzte sich die Nase, nickte schwach und war den Tränen nahe.
»Du solltest deinen Ko pf untersuchen lassen, das wär’ angebracht«, tröstete Alicja sie. Wie lange hatten sie einander nicht mehr in die Arme genommen? Viel zu lange. Und vielleicht war dies das letzte Mal… Alicja zog ihre Tochter an sich und sagte: »Wisch dir die Tränen ab. Jetzt kommt die gute Nachricht. Deine Affäre ist vielleicht kaputt, aber deine alte Mutter ist besser dran.«
Es gab einen amerikanischen Professor, einen gewissen Boniek, ein großes Tier in der Genforschung. »Reg dich nicht auf, meine Liebe, du hast gar keine Ahnung. Es sind nicht lauter Frankensteins, und es gibt auch viele nützliche Anwendungsbereiche«, sagte Alicja mit offensichtlicher Nervosität, und Allie, die ihre Verblüffung und ihre
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