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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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bezahlte er das Doppelte, weil es »der schönste Tag meines Lebens gewesen ist«. - »Wir werden bei herzkranken Kunden besonders gut aufpassen müssen«, sagte die Madame zu Baal.
    Als sich in Jahilia herumsprach, dass die Huren vom »Vorhang« jeweils die Identität einer der Frauen Mahounds angenommen hatten, war die heimliche Erregung unter den Männern der Stadt groß. Da sie sich aber vor Entdeckung fürchteten - nicht nur, weil sie mit dem Tod rechnen mussten , falls Mahound oder einer seiner Helfer herausfand, dass sie in derart respektloses Tun verwickelt waren, sondern auch, weil sie an einer Aufrechterhaltu ng dieses neuartigen Service im »Vorhang« interessiert waren -, wurde das Geheimnis sorgfältig vor der Obrigkeit verborgen. In jenen Tagen weilte Mahound mit seinen Frauen in Yathrib, weil er das kühle Klima der nördlich gelegenen Oase der Hitze von Jahilia vorzog. Die Stadt unterstand der Obhut General Khalids, vor dem sich leicht etwas geheim halten ließ. Eine Zeitlang hatte Mahound mit dem Gedanken gespielt, Khalid mit der Schließung sämtlicher Bordelle von Jahilia zu beauftragen, doch Abu Simbel hatte ihm von einer solch überstürzten Aktion abgeraten. »Die Jahilier haben sich gerade erst bekeh ren lassen«, meinte er, »geh es langsam an.« Mahound, ein außerordentlich pragmatischer Prophet, hatte einer Übergangsphase zugestimmt. In Abwesenheit des Propheten strömten die Männer von Jahilia scharenweise zum »Vorhang«, der eine Umsatzsteigerung von dreihundert Prozent erlebte. Da es, aus begreiflichen Gründen, unklug war, auf der Straße Schlange zu stehen, zog sich an vielen Tagen eine lange Reihe von Männern durch den Innenhof des Bordells und rings um den in der Mitte befindlichen »Brunnen der Liebe«, ähnlich jenen Pilgern, die, wenn auch aus anderen Gründen, um den alten Schwarzen Stein gewandert waren . Jeder Besucher des »Vorhangs« bekam eine Maske ausgehändigt, und Baal, der von einem Balkon aus die maskierten, Kreise ziehenden Gestalten beobachtete, war zufrieden. Es gab mehr als nur eine Form, sich der UNTERWERFUNG zu verweigern.
    Im Lauf der nächsten Monate fanden die Mitarbeiterinnen des »Vorhangs« Geschmack an ihrer neuen Aufgabe. Die fünfzehnjährige Hure »Aischa« stand, ganz wie ihre Namensvetterin bei Mahound, bei den zahlenden Kunden in der Gunst am höchsten. Und wie jene Aischa, die in ihren Gemächern im Harem der Großen Moschee zu Yathrib ein keusches Leben führte, so begann die Aischa in Jahilia, eifersüchtig über ihren Status als Lieblingsfrau zu wachen. Sie konnte es nicht ertragen, wenn eine ihrer »Schwestern« einen Zuwachs an Kunden zu verzeichnen hatte oder außergewöhnlich großzügige Trinkgelder erhielt. Die älteste, fetteste Hure, die den Namen »Sawdah« angenommen hatte, erzählte ihren Besuchern - und sie hatte reichlich Kunden, da viele Jahilier wegen ihrer mütterlichen und dankbaren Art gerade zu ihr gingen -, wie Mahound sie und Aischa am selben Tag geheiratet habe, und Aischa sei noch ein Kind gewesen.
    »In uns beiden«, sagte sie, und das fanden die Männer furchtbar erregend, »fand er die beiden Hälften seiner verstorbenen ersten Frau wieder, das Kind und die Mutter.« Die Hure »Hafsah«, zeigte sich ebenso aufbrausend wie ihre Namensvetterin, und als die zwölf ihre Rollen richtig mit Leben erfüllten, spiegelten die Beziehungen innerhalb des Bordells d ie politischen Verhältnisse in der Moschee zu Yathrib wider.
    Aischa und Hafsah beispielsweise führten einen ständigen Kleinkrieg gegen die beiden hochnäsigsten Huren, die in den Augen der anderen als eingebildet galten und sich ausgesprochen aristokratische Rollen ausgesucht hatten:
    »Umm Salamah die Makhzumitin« und die arroganteste von allen, »Ramiah«, deren Namensvetterin, Mahounds elfte Frau, die Tochter von Abu Simbe l und Hind war. Und es gab eine »Zainab bint Jahsh« und eine »Juwairiyah«, benannt nach der auf einem Kriegszug gefangengenommenen Braut, eine »Rehanah die Jüdin«, eine »Safia«, eine »Maimunah« und (von allen Huren die erotischste), jenes Mädchen, das sämtliche Tricks kannte, ihrer Rivalin Aischa aber keinen einzigen verriet: die bezaubernd schöne Ägypterin »Maria die Koptin«. Am merkwürdigsten war die Hure, die den Namen »Zainab bint Khuzaimah« angenommen hatte, obwohl sie wusste , dass diese Frau Mahounds erst vor kurzem verstorben war. Die Nekrophilie ihrer Kunden, die ihr jede Bewegung untersagten, war einer der

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