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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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allesamt in einen Zustand höchster Erregung versetzt, und der verwirrte Baal erfuhr, wie es war, wenn zwölf Frauen um seine Gunst, um sein Lächeln buhlten, während sie ihm die Füße wuschen und mit ihrem Haar trockneten, während sie seinen Körper ölten und für ihn tanzten und auf tausenderlei Art die Traum-Ehe in Szene setzten, die zu erleben sie nie für möglich gehalten hätten.
    Es war unwiderstehlich. Allmählich wurde Baal selbstbewusst genug, um die Mädchen herumzukommandieren, zwischen ihnen zu schlichten, und sie zu bestrafen, wenn er sich über sie ärgerte. Einmal geriet er über ihr Gezänk so in Wut, dass er sich ihnen allen für die Dauer eines Monats verweigerte. Als er nach neunundzwanzig Nächten zu Aischa ging, zog sie ihn damit auf, es nicht länger ausgehalten zu haben. »Dieser Monat hatte nur neunundzwanzig Tage«, erwiderte er. Einmal wurde er von Hafsah mit Maria der Koptin er wischt, und zwar an Aischas Tag und in Hafsahs Zimmer. Er flehte Hafsah an, Aischa, in die er sich verliebt hatte, nichts zu sagen, aber sie erzählte es ihr dennoch, woraufhin Baal sich der hellhäutigen Maria mit dem lockigen Haar eine ganze Weile nicht nähern durfte. Kurz und gut: er war der Versuchung erlegen, sich in das geheime, profane Ebenbild Mahounds zu verwandeln; und er schrieb wieder.
    Nie zuvor hatte er solch wohlklingende Gedichte verfasst .
    Manchmal, wenn er bei Aischa war, spürte er eine Trägheit über sich kommen, eine Schwere, und er musste sich hinlegen.
    »Es ist komisch«, sagte er zu ihr. »Mir ist, als sähe ich mich neben mir stehen. Und den, der neben mir steht, kann ich sprechen lassen; dann erhebe ich mich und schreibe seine Gedichte nieder.« Diese künstlerischen Trägheiten wurden von seinen Frauen sehr bewundert. Einmal schlief er erschöpft bei Umm Salamah der Makhzumitin in einem Sessel ein. Als er Stunden später erwachte, schmerzte sein Körper, Nacken und Schultern waren steif, und er schimpfte:
    »Warum hast du mich nicht geweckt?« Umm Salamah antwortete: »Ich habe mich nicht getraut, hätte ja sein können, dass dir ein Gedicht einfiel.« Er schüttelte den Kopf. »Mach dir keine Sorgen deswegen. Die einzige Frau, in deren Gegenwart mir Gedichte einfallen, ist Aischa.«
     
    Zwei Jahre und ei nen Tag, nachdem Baals Leben im »Vorhang« angefangen hatte, wurde er trotz gefärbter Haut, Pluderhosen und Bodybuilding von einem Kunden Aischas erkannt. Baal stand vor Aischas Zimmer, als der Kunde herauskam, mit dem Finger auf ihn zeigte und rief: »Also hier bist du gelandet!« Aischa kam mit vor Angst weit aufgerissenen Augen herausgestürzt, doch Baal sagte: »Alles in Ordnung. Er wird keinen Ärger machen.« Er lud Salman den Perser in seine Privatgemächer ein, wo er eine Flasche jenes aus angepressten Trauben hergestellten süßen Weins entkorkte, den die Jahilier inzwischen produzierten, nac hdem sie herausgefunden hatten, dass dies nach der »Geschäftsordnung«, wie Sie respektlos sagten, nicht verboten war.
    »Ich bin gekommen, weil ich diese infernalische Stadt endgültig verlasse«, sagte Salman, »und nach all den beschissenen Jahren wollte ich noch einmal einen schönen Augenblick erleben.« Nachdem Bilal sich aus alter Freundschaft für ihn eingesetzt hatte, hatte der Einwanderer Arbeit gefunden; er hockte im Schneidersitz auf der Hauptstraße des Geschäftsviertels und verdingte sich als Briefeschreiber und Allzwecksekretär. Sein Zynismus und seine Verzweiflung waren von der Sonne versengt worden. »Wenn die Leute schreiben, dann lügen sie«, sagte er und trank hastig.
    »Ein professioneller Lügner kann gut davon leben. Meine Liebesbriefe und Geschäftsmitteilungen galten als unübertroffen in der Stadt, wegen meines Talents, wunderschöne Unwahrheiten zu ersinnen, die kaum von den Fakten abwichen. In knapp zwei Jahren konnte ich genug für meine Heimreise zusammensparen. Nach Hause! In die Heimat! Morgen geht’s los, endlich.«
    Die Flasche leerte sich, und Salman begann, wie Baal erwartet hatte, wieder von der Quelle all seines Leids zu sprechen, dem Verkünder und seiner Botschaft. Er erzählte Baal von einem Streit zwischen Mahound und Aischa, gab ein Gerücht wieder, als handelte es sich um eine erwiesene Tatsache: »Dieses Mädchen konnte es nicht verkraften, dass ihr Mann so viele andere Frauen wollte«, sagte er. »Er redete von Erfordernissen, politischen Allianzen und so weiter, aber sie ließ sich nichts vormachen. Wer will es ihr verübeln?

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