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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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einem Kamelhaarmantel mit Seidenkragen und einem recht schmucken braunen Homburg.
    »Wohin soll’s denn gehen?« wollte Pamela in Turban, Lederjacke aus Armeebeständen und Trainingshose, die ihre dicker werdende Taille betonte, wissen. »Ascot, was?« »Ich glaube, ich wurde zu einer Versammlung eingeladen«, antwortete Saladin höchst friedfertig, worauf Pamela ausklinkte.
    »Dann sei bloß vorsichtig«, warnte sie ihn. »So wie du aussiehst, kann’s gut sein, dass sie dich aus deinem Mantel ziehen.«
     
    Was holte ihn zurück in die Anderwelt, in jene Substadt, deren Existenz er so lange geleugnet hatte? Was, oder besser: wer zwang ihn durch die simple Tatsache seiner (ihrer) Existenz, aus jener Kokonhöhle, in der - das jedenfalls glaubte er - sein früheres Ich wiederhergestellt wurde, aufzutauchen und sich einmal mehr in die gefährlichen (weil unerforschten) Gewässer der Welt und seiner selbst zu stürzen? »Bevor ich zu meinem Karatekurs muss «, hatte Jumpy Joshi zu Saladin gesagt, »werde ich die Versammlung einschieben.« Wo seine Starschülerin wartete: hochgewachsen, Regenbogenhaare und, wie Jumpy hinzufügte, gerade achtzehn geworden. Ohne zu wissen, dass auch Jumpy an denselben verbotenen Sehnsüchten litt, fuhr Saladin quer durch die Stadt, um Mishal Sufyan näher zu sein.
    Er hatte eine kleine Versammlung erwartet, hatte sich ein Hinterzimmer irgendwo vorgestellt, voller verdächtiger Typen, die wie Klons von Malcolm X aussahen und redeten (Chamcha erinnerte sich, wie er einmal über einen Scherz eines Fernsehkomikers hatte lachen müssen - »Und dann ist da noch der mit dem Schwarzen, der seinen Namen in Mr. X änderte und die News of the World wegen Verleumdung verklagte« - und damit einen der schlimmsten Krache seiner Ehe heraufbeschwor,) dazwischen vielleicht noch ein paar wütend dreinschauende Frauen; er hatte sich viel Fäusteballen und Rechtschaffenheit ausgemalt. Was er dann vorfand, war ein großer Saal, das Brickhall Friends Meeting House, in den sich alle erdenklichen Arten von Menschen drängten - alte, dicke Frauen und Schüler in Uniform, Rastas und Restaurantarbeiter, die Belegschaft des kleinen chinesischen Supermarkts in der Plassey Street, nüchtern gekleidete Herren ebenso wie wilde Jungs, Weiße wie Schwarze; die Stimmung der Menge war weit entfernt von der Sorte evangelischer Hysterie, die er sich vorgestellt hatte; man war ruhig, besorgt und wollte wissen, was man tun konnte. Neben ihm stand eine junge schwarze Frau, die seine Kleidung mit einem amüsierten Blick bedachte; er starrte zurück, und sie lachte: »Okay, tut mir leid, nichts für ungut.« Sie trug einen bikonvexen Button, einer von der Art, die bei jeder Bewegung die Aufschrift wechselte. Aus einem Blickwinkel las man: Uhurn für den Simba, aus einem anderen Freiheit für den Löwen. »Das ist wegen der Bedeutung seines angenommenen Namens«, erklärte sie überflüssigerweise.
    »Auf afrikanisch.« Welche Sprache? wollte Saladin wissen. Sie zuckte die Schultern und wandte sich ab, um den Rednern zuzuhören. Es war afrikanisch - nach ihrer Aussprache zu urteilen, war sie in Lewisham oder Deptford oder New Cross geboren -, mehr brauchte sie nicht zu wissen… Pamela zischte ihm ins Ohr. »Wie ich sehe, hast du endlich jemanden gefunden, dem du dich überlegen fühlen kannst.« Sie konnte ihn noch immer wie ein offenes Buch lesen.
    Eine winzige Frau Mitte Siebzig wurde von einem sehnigen Mann auf die Bühne am andern Ende des Saals geleitet. Der Mann, wie Chamcha nahezu erleichtert feststellte, sah tatsächlich wie ein amerikanischer Black-Panther-Führer aus, ja, wie der junge Stokely Carmic hael - dieselbe starke Brille - und fungierte als Conferencier. Er stellte sich als Dr. Simbas jüngerer Bruder Walcott Roberts vor, und die kleine Dame war beider Mutter, Antoinette. »Gott weiß, wie etwas so Großes wie Simba je aus ihr herauskommen konnte«, flüsterte Jumpy, worauf Pamela wütend die Stirn runzelte, weil sie sich seit neuestem mit allen schwangeren Frauen, ehemaligen wie derzeitigen, solidarisch fühlte. Als Antoinette Roberts aber sprach, war ihre Stimme kräftig genug, um sich allein mit Lungenkraft Gehör zu verschaffen. Sie wollte über ihren Sohn vor Gericht reden, über die gerichtlichen Voruntersuchungen, was sie mit großer Kunstfertigkeit tat. Ihre Stimme entsprach Chamchas Vorstellung von einer ausgebildeten Stimme; sie sprach ein BBC-Englisch wie jemand, der seine Ausdrucksweise beim World

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