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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Babington. »Ich habe dies aus alter Freundschaft zu dir getan. Aber es war unrecht, und ich sehe die Folgen vor mir.
    Du hast einen Mörder gedeckt, und vielleicht ist es jetzt dein Gewissen, das dir keine Ruhe lässt . Geh nach Hause, Enrique.
    Geh nach Hause und nimm deine Frau mit, bevor noch etwas Schlimmeres geschieht.«
    »Ich bin zu Hause«, sagte Henry Diamond. »Und ich verbitte mir, dass du so von meiner Frau sprichst.«
    »Wo die Engländer sich auch niederlassen, England verlassen sie nie«, sagte Dr. Babington, während er sich in Mondlicht auflöste. »Es sei denn, sie verlieben sich, wie Dona Rosa.«
    Eine Wolke zog über den Mond, und nun, da der Balkon wieder leer war, gelang es Gibril Farishta endlich, sich aus dem Sessel hochzuhieven und auf die Beine zu kommen. Das Gehen war so mühsam, als müsste er eine Eisenkette mit Kugel hinter sich herziehen, aber er schaffte es bis zum Fenster.
    Überall, soweit er blicken konnte, schwankten riesige Disteln im Wind. Wo vorher die See gewesen war, war jetzt ein Meer von Disteln, das bis zum Horizont reichte, Disteln so hoch wie ausgewachsene Männer. Er hörte die geisterhafte Stimme von Dr. Babington in sein Ohr murmeln: »Die erste Distelplage seit fünfzig Jahren. Es scheint, dass die Vergangenheit zurückkehrt.« Er sah eine Frau durch die dichte, wogende Wildnis laufen, barfuß, mit offenem dunklen Haar. »Sie war es«, erklang Rosas Stimme deutlich vernehmbar hinter ihm.
    »Nachdem sie ihn mit dem Geier betrogen und zum Mörder gemacht hatte. Danach hat er sie nie mehr eines Blickes gewürdigt. O ja, sie hat dafür gesorgt. Eine ganz Gefährliche war das. Eine ganz Gefährliche.« Gibril verlor Aurora del Sol zwischen den Disteln aus den Augen; ein Trugbild verdunkelte das andere.
    Dann spürte er, wie ihn etwas von hinten packte, ihn herumwirbelte und flach auf den Rücken warf. Es war niemand zu sehen, aber Rosa Diamond saß kerzengerade im Bett, starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, gab ihm zu verstehen, dass sie die Hoffnung aufgegeben hatte, sich noch länger ans Leben klammern zu können, und seine Hilfe brauchte, um ihre letzte Offenbarung zu vollenden. Und wie bei dem Geschäftsmann in seinen Träumen fühlte er sich hilflos, unwissend… sie aber schien zu wissen, wie sie die Bilder aus ihm herausziehen konnte. Dann sah er, was sie beide verband, eine leuchtende Schnur, von Nabel zu Nabel.
    Jetzt war er an einem Teich in der endlos weiten Distelsteppe, ließ sein Pferd trinken, und sie kam auf ihrer Stute angeritten. Jetzt umarmte er sie, zog sie aus, löste ihr Haar, und jetzt liebten sie sich. Jetzt flüsterte sie, wie kannst du mich mögen, ich bin so viel älter als du, und er sprach tröstende Worte.
    Jetzt erhob sie sich, zog sich an, ritt davon, während er blieb, seinen matten, warmen Körper räkelte und nicht bemerkte, wie sich aus den Disteln eine Frauenhand heimlich nach seinem Messer mit dem Silbergriff ausstreckte…
    Nein! Nein! Nein, anders!
    Jetzt kam sie zum Teich geritten, und in dem Moment, als sie abstieg und ihn nervös anblickte, fiel er über sie her, sagte ihr, dass er ihre Zurückweisungen nicht länger ertragen könne, und sie fielen zusammen auf den Boden, sie schrie, er riss an ihren Kleidern, und ihre Hände, die sich in seinen Körper krallten, fanden den Griff eines Messers…
    Nein! Nein, niemals, nein! Sondern: so!
    Jetzt liebten sich die beiden, langsam und voller Zärtlichkeit; und jetzt kam ein dritter Reiter zur kleinen Wiese am Teich geritten, und die Liebenden ließen erschrocken voneinander ab; jetzt zog Don Enrique seine kleine Pistole und ziel te auf das Herz seines Rivalen; und er fühlte, wie Aurora ihm das Messer ins Herz stieß, immer wieder, das ist für Juan, und das ist dafür, dass du mich verlassen hast, und das ist für deine großartige englische Hure; und er fühlte das Messer seines Opfers in sein Herz eindringen, als Rosa zustach, einmal, zweimal, und noch einmal;
    und nachdem Henrys Kugel ihn getötet hatte, nahm der Engländer das Messer des toten Mannes und stach ihn viele Male in die blutende Wunde.
    Gibril schrie laut auf und verlor das Bewusstsein . Als er wieder zu sich kam, führte die alte Frau im Bett Selbstgespräche, aber so leise, dass er sie kaum verstehen konnte. »Der Pampero kam, der Südwestwind, und drückte die Disteln zu Boden. Und dann fanden sie ihn, oder war es schon vorher?« Das Ende der Geschichte. Wie Aurora del Sol Rosa Diamond ins Gesicht spuckte,

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