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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Demütigung!
    Er war - und wie viel Arbeit ihn das gekostet hatte! - ein kultivierter Mann! Bei irgendwelchem Gesindel aus Sylhet oder in den Fahrradwerkstätten von Gujranwala mochten solche Erniedrigungen ja noch angehen, aber er war aus anderem Holz geschnitzt! »Werte Herren«, begann er und versuchte, seiner Stimme Autorität zu verleihen, was bei dieser würdelosen Position auf dem Rücken mit weit gespreizten, behuften Beinen und inmitten kleiner Häufchen seiner eigenen Exkremente nicht leicht zu bewerkstelligen war, »werte Herren, Sie täten besser daran, Ihren Irrtum einzusehen, bevor es zu spät ist.«
    Novak wölbte eine Hand hinter seinem Ohr. »Was war das?
    Was war das für ein Krach?« erkundigte er sich und sah sich um, und Stein sagte: »Keine Ahnung.« - »Ich will euch sagen, wie sich das angehört hat«, steuerte Joe Bruno bei, und mit den Händen vor dem Mund brüllte er: »Määh-ääh-ääh!« Dann lachten sie alle drei noch einmal, so dass Saladin nicht hätte sagen können, ob sie ihn nur beleidigen wollten oder ob seine Stimmbänder ebenfalls, wie er befürchtete, von dieser grässlichen Dämonitis befallen worden waren, die ihn ohne die leiseste Vorwarnung heimgesucht hatte. Wieder begann er zu zittern. Die Nacht war außerordentlich kalt.
    Dann kam der Beamte Stein, offenbar der Anführer dieses Dreiergespanns oder zumindest der Primus inter Pares, unvermittelt wieder auf die Dung-Kügelchen zu sprechen, die auf dem Boden des fahrenden Wagens umherrollten. »In diesem Land«, teilte er Saladin mit, »machen wir unseren Dreck selber weg.«
    Die Polizisten hielten ihn nicht länger auf dem Boden fest, sondern zogen ihn auf die Knie. »Ganz recht«, sagte Novak.
    »Mach das weg.« Joe Bruno legte eine große Hand auf Chamchas Nacken und drückte seinen Kopf nach unten, auf den mit Kügelchen übersäten Boden. »Und los geht’s«, sagte er im Plauderton. »Je eher du anfängst, desto eher hast du’s weggeputzt.«
     
    Doch selbst, als er das letzte und gemeinste Ritual seiner ungerechtfertigten Demütigung vollzog (denn ihm blieb nichts anders übrig) - oder, anders gesagt, als die Begleitumstände seiner wunderbaren Lebensrettung immer scheußlicher und unerhörter wurden -, gewann Saladin Chamcha allmählich den Eindruck, dass die drei Beamten der Einwanderungsbehörde längst nicht mehr so seltsam aussahen und handelten wie am Anfang. Zum einen konnte er zwischen ihnen keinerlei Ähnlichkeit mehr feststellen. Der Beamte Stein, den seine Kollegen »Mack« oder »Jockey« nannten, entpuppte sich als ein großer, stämmiger Mann mit einer dicken, kurvenreic hen Nase, sein übertriebener schottischer Akzent war nicht zu überhören. »So isses recht«, bemerkte er anerkennend, während Chamcha kläglich drauflosmampfte. »Beim Fernsehen, soso. Tja, für gute Schauspieler hab’ ich wirklich was übrig.«
    Diese Bemerkung veranlasste den Beam ten Novak - oder vielmehr »Kim« -, de r plötzlich ein leichenblasses, asketischknochiges Gesicht bekommen hatte, das an mittelalterliche Ikonen erinnerte, und die Stirn in düstere Falten legte, was auf tiefe innere Qualen schließen ließ, eine kurze Rede über die Seifenopern-Stars und Spielshow-Gäste zu halten, die er am liebsten sah, während der Beamte Bruno, der Chamcha auf einmal enorm gutaussehend vorkam mit seinem vor Styling Gel glänzenden und in der Mitte gescheitelten Haar und seinem blonden Bart, der dramatisch mit dem dunklen Kopfhaar kontrastierte, während Bruno also, der jüngste der drei, anzüglich fragte, und was ist mit den Mädels, ich seh’ mir am liebsten Mädels an. Zu diesem Stichwort fielen allen dreien die verschiedensten halbfertigen, mit bestimmten Anspielungen schwangeren Anekdoten ein, doch als die fünf Polizisten versuchten, sich der illustren Gesprächsrunde anzuschließen, wurden sie streng in ihre Grenzen verwiesen. »Kleine Kinder«, ermahnte sie Mr. Stein, »sollte man weder sehen noch hören müssen.«
    Mittlerweile würgte Chamcha heftig an seinem Mahl, zwang sich, sich nicht zu übergeben, wohl wissend, dass ein solcher Fehler sein Elend nur verlängern würde. Er kroch auf dem Boden des Wagens herum und suchte nach den Kügelchen seiner Qual, die von einer Ecke in die andere rollten, und die Polizisten, die nach der Rüge durch die Beamten der Einwanderungsbehörde ihre Frustration abreagieren mussten , fingen nun an, Saladin rundherum zu beschimpfen und an den Haaren auf seinem Hinterteil zu ziehen, um

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