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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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ihn sowohl sein Ungemach als auch sein Unglück noch deutlicher spüren zu lassen. Dann begannen sie demonstrativ und auf ihre Weise, das Gespräch der Beamten von der Einwanderungsbehörde untereinander fortzusetzen, und die Vorzüge diverser Filmstars, Dart-Spieler, Berufsringer und dergleichen mehr zu analysieren; aber weil Jockey Steins hochmütige Art ihnen die gute Laune verdorben hatte, waren sie nicht imstande, das abstrakte und intellektuelle Gesprächsniveau ihrer Vorgesetzten zu halten, und gerieten bald in Streit über die respektiven Vorzüge der ehemaligen Landes-und Po kalmeister »Tottenham Hotspurs« und ihrer neuerdings so starken Gegenspieler aus Liverpool, wobei die Liverpool-Anhänger die Fans der Spurs damit aufbrachten, dass sie behaupte ten, der berühmte Danny Blanch-F lower sei ein »Luxus«-Spieler, ein Waschlappen, ein Blümchen mit Namen, ein warmer Bruder von Natur; was die beleidigten Sportsfreunde mit der Behauptung konterten, die Fans von Liverpool wären die eigentlichen Tunten, die Anhänger der Spurs könnten diese Bürschlein selbst dann auseinandernehmen, wenn man ihnen die Hände auf den Rücken binden würde. Natürlich waren die Ordnungshüter bestens vertraut mit den Methoden der Fußball-Rowdys, denn sie hatten viele Nachmittage damit zugebracht, in verschiedenen Stadien landauf landab mit dem Rücken zum Spielfeld die Zuschauer zu beobachten, und als ihr Streit hitziger wurden, kamen sie an den Punkt, wo sie ihren Kollegen von der Gegenseite gern vorführen wollten, was genau sie unter »zu Hackfleisch machen«, »die Eier polieren«, »mit der Flasche behandeln« und dergleichen verstanden. Die zerstrittenen Parteien starrten einander wütend an, und dann richteten sie alle gemeinsam den Blick auf Saladin Chamcha.
    Jetzt wurde es erst so richtig laut im Polizeibus - um die Wahrheit zu sagen, trug auch Chamcha seinen Teil zu dem allgemeinen Tohuwabohu bei, indem er wie ein Schwein quiekte -, und die jungen Bobbys schlugen und boxten in diverse Teile seiner Anatomie, benutzten ihn als Versuchskaninchen und Ventil, achteten jedoch trotz aller Erregung darauf, ihre Schläge auf seine weicheren, fleischigeren Teile zu beschränken, um das Risiko von Brüchen und Prellungen zu verringern; und als Jockey, Kim und Joey sahen, was ihre Untergebenen i m Schilde führten, entschlossen sie sich, tolerant zu sein, weil die Jungen auch einmal ihren Spaß brauchten.
    Außerdem hatte das Gespräch über Zuschauer-Sehgewohnheiten Stein, Bruno und Novak auf ein noch gewichtigeres Thema gebracht, und nun unterhielten sie sich mit ernster Miene und ernster Stimme über die wachsende Bedeutung von Beobachtungsmaßnahmen, nicht nur im Sinne von »Zuschauen«, sondern von »Überwachung« oder »Observation«. Die Erfahrungen der jungen Polizeibeamten waren sehr wichtig, erklärte Stein: beobachte die Menge, nicht das Spiel. »Stete Wachsamkeit ist der Preis für die Freiheit«, formulierte er.
    »Iiieh«, schrie Chamcha, der nicht verhindern konnte, ihnen ins Wort zu fallen. »Aaau, uuuh, oweh.«
     
    Nach einer Weile überkam Saladin ein seltsames Gefühl von Losgelöstsein. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon in der Grünen Minna seines harten Sturzes in die Ungnade unterwegs war, noch hätte er eine Vermutung gewagt, wohin die Reise nun eigentlich ging, obwohl das Klingeln in seinen Ohren allmählich lauter wurde, die unwirklichen Schritte von
    »Großmutter, wie weit darf ich reisen?«, Ellohenn, Deeohenn, London. Die Schläge, die jetzt auf ihn einprasselten, fühlten sich so zart an wie die Liebkosungen einer Geliebten, der groteske Anblick seines verwandelten Körpers schreckte ihn nicht mehr, und selbst die letzten Kügelchen Ziegenkot vermochten seinem schwer misshandelten Magen nicht weiter zuzusetzen. Betäubt hockte er in seiner kleinen Welt und versuchte sich immer kleiner zu machen, in der Hoffnung, irgendwann vielleicht ganz verschwinden zu können und so seine Freiheit wiederzuerlangen.
    Das Gespräch über Observationstechniken hatte die Beamten von Einwanderungsbehörde und Polizei wieder vereint und den durch Jockey Steins strengen Tadel verursachten Bruch gekittet. Chamcha, das Insekt auf dem Boden des Wagens, hörte w ie aus weiter Ferner, wie durch einen Telefonzerhacker, eine angeregte Diskussion zwischen seinen Bewachern über die Notwendigkeit des verstärkten Einsatzes von Videokameras bei öffentlichen Großveranstaltungen, über den Nutzen von Computerdateien

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