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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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nachzudenken, erwidert, weil die meisten Jungen so sind wie du. Wenige Augenblicke später kam Chamcha vorbei, nach Patschuli stinkend, in weißer Kurta, eine billige Karikatur der Geheimnisse des Fernen Ostens, und fünf Minuten später ging das Mädchen mit ihm fort. Dieser Scheißkerl, dachte Jumpy Joshi, als die alte Bitterkeit wieder in ihm hochkam, er hatte einfach kein Schamgefühl, er war bereit, alles zu sein, was sie kaufen wollten, dieser Handles er-Flickendeckenjacken - Hare - Krishna - Gammler, aber nicht mit mir, nur über meine Leiche.
    Das ließ ihn innehalten, dieses Wort an dieser Stelle. Leiche.
    Sei ehrlich, Jamshed, die Mädchen haben nie für dich geschwärmt, das ist die Wahrheit, und der Rest ist Neid. Na gut, mag ja was dran sein, räumte er ein, aber andererseits.
    Vielleicht eine Leiche, fügte er hinzu, andererseits vielleicht auch nicht.
    Auf den schlaflosen Eindringling wirkte Chamchas Zimmer gekünstelt und daher traurig: die Karikatur eines Schauspielerzimmers, voller signierter Fotos von Kollegen, Werbezettel, gerahmter Programmhefte, Probenfotos, Zitate, Auszeichnungen, Memoirenbücher von Filmstars, ein Zimmer wie von der Stange, Meterware, eine Imitation des Lebens, die Maske einer Maske. Nippes auf jedem Möbelstück: Aschenbecher in Form von Klavieren, chinesische Papageien, die hinter einem Bücherregal her vorlugten. Und überall an den Wänden, auf den Filmplakaten, im Schein der Lampe, die ein bronzener Eros trug, in dem Spiegel, der wie ein Herz geformt war, vom blutroten Teppich abstrahlend, von der Decke tropfend, Saladins Bedürfnis nach Liebe. Beim Theater wird jeder geküsst , ist jeder ein Darling. Das Leben des Schauspielers bietet, auf einer täglichen Basis, das Abbild von Liebe; eine Maske findet Befriedigung oder zumindest Trost schon im Echo dessen, was sie sucht. Die Verzweiflung steckte ihn ihm, erkannte Jumpy, er tat alles, zog jedes noch so alberne Kostüm an, verwandelte sich in jede nur denkbare Gestalt, wenn ihm das ein liebevolles Wort einbrachte. Saladin, der bei den Frauen ja beileibe nicht erfolglos war, siehe oben. Der arme Tölpel. Selbst Pamela mit all ihrer Schönheit und ihrem Strahlen war ihm nicht genug gewesen.
    Und offensichtlich war auch er ihr längst immer weniger genug gewesen. Irgendwann, als die zweite Whiskyflasche zur Neige ging, lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter und sagte benebelt: »Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine Erleichterung es ist, mal mit jemandem zusammen zu sein, gegen den ich nicht andauernd kämpfen muss , wenn ich meine Meinung sage. Weil er das Gute für sich gepachtet hat.« Er wartete; nach einer Pause kam mehr. »Er und seine königliche Familie; du würdest es nicht glauben. Kricket, das Parlament, die Queen. Das ist für ihn immer eine Postkartenidylle geblieben. Man konnte ihn nicht dazu bringen, sich das anzusehen, was wirklich Wirklichkeit war.« Sie schloss die Augen und legte ihre Hand ganz zufällig auf seine. »Er war wirklich ein Saladin«, sagte Jumpy. »Ein Mann, der ein heiliges Land zu erobern hatte, sein England, das, woran er glaubte. Du warst auch ein Teil davon.« Sie rollte zur Seite, um sich auf Zeitschriften, zerknülltem Abfallpapier, Durcheinander auszustrecken. »Ein Teil davon? Ich war die gottverdammte Britannia. Warmes Bier, gefüllte Fleischpasteten, gesunder Menschenverstand und ich. Aber ich bin auch wirklich Wirklichkeit, J. J.; das bin ich wirklich wirklich.« Sie streckte die Hände nach ihm aus, zog ihn zu sich, dahin, wo ihr Mund wartete, gab ihm einen langen Pamela-untypisch nassen Kuss .
    »Verstehst du, was ich meine?« Ja, er verstand.
    »Du hättest ihn zum Thema Falkland-Krieg hören sollen«, sagte sie etwas später, als sie sich von ihm freimachte und begann, mit ihrem Haar herumzuspielen. »Pamela, mal angenommen, du würdest mitten in der Nacht ein Geräusch unten im Haus hören und runtergehen, um nachzusehen, und im Wohnzimmer einen riesigen Mann mit einer Schrotflinte vorfinden, und dieser Mann würde sagen, geh wieder nach oben, was würdest du tun? Ich würde nach oben gehen, sagte ich. ›Und so ist das auch damit. Eindringlinge im eigenen Haus.
    Das geht so nicht.‹« Jumpy fiel auf, dass sie ihre Fäuste geballt hatte und ihre Knöchel kalkweiß hervortraten. »Ich sagte, wenn du schon diese blöden häuslichen Metaphern verwenden musst , dann aber auch richtig. Es ist nämlich so, als würden zwei verschiedene Leute behaupten, sie wären

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