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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Eigentümer eines Hauses, und einer von beiden besetzt es, und dann erscheint der andere mit der Schrotflinte. So ist das nämlich.« - »Ja, das ist wirklich die Wirklichkeit«, nickte Jumpy mit ernster Miene.
    »Richtig«, sie schlug ihm aufs Knie. »Das ist wirklich richtig… so ist das echt wirklich. Tatsache. Noch einen Drink.«
    Sie beugte sich vor zum Kassettenrecorder und drückte auf einen Knopf. Mein Gott, dachte Jumpy, Boney M.? Muss das jetzt sein? Trotz ihrer ganz harten, professionell antirassistischen Linie hatte die Dame immer noch eine Menge über Musik zu lernen. Jetzt ging es auch schon los, bummschickabumm. Und dann begann er unvermittelt zu weinen, zu echten Tränen gerührt durch unechte Emotionen, durch eine Disco-Beat-Imitation von Schmerz. Es war der hundertsiebenunddreißigste Psalm, »Super-Flumina«. König David, der über die Jahrhunderte hinweg rief. Wie könnten wir des HERREN Lied singen in fremdem Lande?
    »Ich musste die Psalmen in der Schule lernen«, sagte Pamela Chamcha, die auf dem Fußboden saß, den Kopf an die Bettcouch gelehnt, die Augen fest geschlossen. By the river of Babylon, where we sat down, oh oh we wept… sie hielt das Band an, lehnte sich wieder zurück, begann vorzutragen.
    »Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte.
    Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein.«
    Später, im Bett, träumte sie von ihrer Klosterschule, von Frühmetten und Abendandachten, von Psalmengesang, als Jumpy hereingestürmt kam und sie wachrüttelte und dabei rief:
    »Es hat keinen Sinn, ich muss es dir sagen. Er ist nicht tot.
    Saladin: verdammt noch mal, er lebt.«
     
    Sie war sofort hellwach und schob sich die Hände in ihr dickes, lockiges hennagefärbtes Haar, in dem sich allmählich die ersten weißen Strähnen zeigten; sie kniete auf dem Bett, nackt, Hände im Haar, ohne sich rühren zu können, bis Jumpy aufgehört hatte zu reden, und dann begann sie urplötzlich, auf ihn einzuschlagen, ihn auf Brust und Arme und Schultern und sogar aufs Gesicht zu schlagen, so hart sie konnte. Er saß neben ihr auf dem Bett, ein lächerlicher Anblick in ihrem gerüschten Morgenmantel, während sie ihn schlug; er entspannte seinen Körper, ließ ihn die Schläge entgegennehmen, sich fügen. Als ihr die Schläge ausgingen, war ihr Körper mit Schweiß bedeckt, und er dachte, dass sie ihm vielleicht einen Arm gebrochen hatte. Sie setzte sich neben ihn, keuchend, und beide schwiegen.
    Dann kam ihr Hund ins Schlafzimmer, offensichtlich beunruhigt, und tapste zum Bett, um ihr seine Pfote entgegenzustrecken und sie am linken Bein zu lecken. Jumpy bewegte sich vorsichtig. »Ich dachte, der wäre gestohlen worden«, sagte er schließlich. Pamela riss den Kopf zurück, ihre Ja, aber-Geste. »Die Diebe haben sich gemeldet. Ich hab’ das Lösegeld bezahlt. Jetzt hört er auf den Namen Glenn. Macht nichts; Sher Khan konnte ich sowieso nie richtig aussprechen.«
    Nach einer Weile merkte Jumpy, dass er reden wollte. »Was du da gerade getan hast«, begann er.
    »O Gott.«
    »Nein. Es ist wie das, was ich einmal getan habe. Vielleicht das Vernünftigste, was ich je geta n habe.« Im Sommer 1967 hatte er den »apolitischen« zwanzigjährigen Saladin auf eine Anti-Kriegs-Demonstration ge schleift. »Einmal im Leben, Mr. Hochnäsig, werde ich Sie auf meine Ebene herunterzerren.«
    Harold Wilson kam in die Stadt, und wegen der Unterstützung, die das US-amerikanische Engagement in Vietnam bei der Labour-Regierung fand, waren Massenproteste organisiert worden. Chamcha kam mit, »aus Neugier«, wie er sagte. »Ich möchte sehen, wie angeblich intelligente Menschen sich in einen Mob verwandeln.«
    An jenem Tag regnete es einen Ozean. Die Demonstranten auf dem Market Square waren völlig durchnässt . Jumpy und Chamcha wurden von der Menge mitgerissen und schließlich gegen die Treppe vorm Rathaus geschoben; Tribünenplätze, sagte Chamcha spöttisch. Neben ihm standen zwei als russische Attentäter verkleidete Studenten mit schwarzen Filzhüten, Armeemänteln und dunklen Sonnenbrillen; sie trugen Schuhschachteln, die mit in Tinte getauchten Tomaten gefüllt waren und auf denen in großen Blockbuchstaben Bomben stand. Kurz vor Ankunft des Premierministers klopfte einer von beiden einem Polizisten auf die Schulter und sagte:
    »Entschuldigen Sie bitte. Wenn ankommt Mr. Wilson, Premierminister von eigenen Gnaden, mit

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